Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
hab ich gern gelesen
Diese Geschichte ist auch als .pdf Dokument verfügbar.
geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 07.06.2022. Rubrik: Unsortiert


Alltagsarbeit

Vorsitzender der Interessengruppe: Die Virus-Nummer hat sich erschöpft, wir brauchen eine neue dramatische Ablenkung. Wie lange ist der Präsident von Ostland schon tot?

Medienchef: Über fünf Jahre, aber medial können wir ihn noch gut zehn Jahre präsentieren.

V: Schon klar, aber seine Doppelgänger sehen inzwischen halb so alt aus wie Originalbilder. Ich habe mit den anderen Vorsitzenden gesprochen. Es ist Zeit für eine Veränderung, das neue Drama wird ein Medienkrieg sein.

M: Klasse!

V: Die kontrollierte Opposition dort wird finanziert, bewaffnet und veranstaltet das übliche Tamtam. Sie werden ein, zwei Dörfer räumen - machen wir dann 800 000 Flüchtlinge draus?

M: 1,5 Millionen ziehen besser.

V: Also 1,5 und erhöhe im Folgemonat fürs Erste auf insgesamt 2 Millionen.

M: Wie soll der Präsident sterben?

V: Wir sind uns noch nicht einig, ich sag dir Bescheid.

Konzernsprecher: Können wir den Krieg mit einer Preiserhöhung verbinden?

V: Selbstverständlich. Werden die Mittelbetriebe mitspielen?

K: Bei einer Gewinnsteigerung von fünf Prozent werden sie keine Kritik äußern.

V: Kriegst du, und auf Kernprodukte zehn Prozent. Was anderes: Wie lange können wir die Europäer mit einem Medienkrieg traumatisieren?

Geheimdienstchef: Nicht so lange wie mit Krankheiten oder Finanzkrisen, aber sicher vier bis sechs Monate.

V: Und wie lange dauert es, bis die Menschen das Trauma überwinden und wieder kritisch denken können?

G: Nach Kriegsende dauert es ein bis zwei Wochen, bis die ersten wieder kritikfähig sind.

V: Dann brauchen wir nach Kriegsende innerhalb eines Monats das nächste Drama. Zieht Klimakatastrophe noch?

M: Nein, davon rate ich ab.

V: Terror?

M: Nur im großen Ausmaß, die Menschen sind übertraumatisiert.

V: Also Finanzen. Können wir da die Zügel anziehen?

K: Ja, wir können in die nächste Phase gehen; aber das Bargeld können wir noch nicht abschaffen.

V: Ich kläre das mit den anderen Vorsitzenden. Nächster Punkt: In Mittelland sind Wahlen, wie viele Parteien sind dort im Parlament?

M: Sieben.

V: Zu viele, runter auf sechs. Und die Regierung soll eine Koalition sein.

M: Bitte eine Dreier-Koalition, die Medien in Mittelland leben haupsächlich von Politnachrichten.

V: Geht in Ordnung.

M: Der Anführer der dortigen Parlamentsopposition ist übrigens tot.

V: Waren wir das?

G: Nein, Überdosis. Er stammt aus MK-Ultra und er hatte im letzten Jahr viel Erfolg. Er hatte wohl eine unkontrollierte Wachphase und als ihm bewusst wurde, dass er nur eine Spielfigur ist, hat in das Trauma überwältigt.

V: Wir brauchen dort keinen aus MK, nimm einen üblichen Selbstdarsteller, aber bitte nicht zu jung, irgendwas Väterliches.

G (sieht zu M): Wir regeln das.

V: So, nun zum Wichtigsten: Wie wach sind die Europäer inzwischen?

M: Mindestens fünf Mal so viele wie vor drei Jahren bezweifeln den Wahrheitsgehalt der Nachrichten.

V: Erkennen die Menschen rational die Wahrheit?

M: Nein, zwar sind inzwischen alle Bevölkerungsschichten betroffen, aber die Zweifel sind fast ausschließlich emotional.

V: Sind die Menschen aggressiv oder teilnahmslos?

G: Überwiegend teilnahmslos, sie begehren nicht gegen das System auf, sondern sie wollen einfach ihre Ruhe haben.

V: Sehr gut. Und die Aggressiven, wie gefährlich sind sie?

G: Keine Gefahr, sie haben weder Möglichkeit noch Mittel; die Zersiedelung der letzten 200 Jahre hat ganze Arbeit geleistet.

V: Und die Rufer der Wahrheit, sind sie ein Problem?

G: Sie dringen manchmal durch, aber die Menschen wollen und können die Wahrheit nur sehr schwer annehmen. Solange der Wohlstand hoch ist, ist das System nicht gefährdet.

V: Können wir gewaltlos gegen die Rufer der Wahrheit noch mehr tun?

M: Lächerlich machen und wissenschaftlich widerlegen zieht kaum noch. Wir bringen sie vor allem technisch zum Schweigen. Das letzte Medium mit Restfreiheit ist das Internet, doch wir haben es fast völlig unter Kontrolle durch Suchalgorithmen, kontrollierte Opposition, Rechtsmaßnahmen, Hackerangriffe usw.

V: Schön, wir kommen unseren Zielen rasch näher. Nur für den Fall: Wie schnell können wir wie viele Männer nach Zentraleuropa verlegen?

G: Innerhalb 24-36 Stunden mindestens 100 000 Mann. Innerhalb einer Woche eine halbe Million inklusive schweres Gerät; nationale Streitkräfte nicht mitgerechnet.

V: Ich hoffe keine Einheimischen.

G: Nur hohe und Verbindungsoffiziere. Die restlichen Soldaten stammen aus aller Welt und gehören zu Privatarmeen der Konzerne oder Geheimdienste und zu Milizen oder Söldnern.

V: Gut, wenn sonst nichts weiter ist... Morgen besprechen wir Zeitpläne und Details. Selber Ort, selbe Zeit. Schönen Abend.

counterhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor:

Einkaufstour
Der Delinquent
Versiegelung oder Malzeichen
Der Geist des Irrtums
Geliebte Hure, du herrliche Stadt