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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von so1010.
Veröffentlicht: 13.08.2022. Rubrik: Unsortiert


Langeweile

„Was machen Menschen, wenn sie nichts zu tun haben?“, frage ich mich und stecke mir wieder mal ein neues Kaugummi in den Mund.
Ich kann schlecht mit Langeweile umgehen. Zumindest glaube ich das. Aber was genau ist denn eigentlich Langeweile? In einer ´langweiligen´ Vorlesung zu sitzen stört mich wenig. Klar, es gibt coolere Sachen. Auch zum gefühlt hundertsten Mal das gleiche Thema vor der Klausur durchgehen ist nicht gerade spannend, aber okay. Alter Bücher ein drittes, viertes, fünftes Mal lesen kann ich auch ganz gut. Bei der Arbeit an einer total langweiligen Konferenz teilnehmen und das Protokoll schreiben - objektiv gesehen wahrscheinlich eher in die Kategorie „langweilig“ einzuordnen, aber auch das find ich nicht schlimm. Ist es also vielleicht garnicht die Langeweile? Aber was ist es dann?
Langsam schmeckt das Kaugummi in meinem Mund nicht mehr frisch. Ich spucke es in meinen Mülleimer und stecke mir fast automatisch ein weiteres in den Mund. Besser.
Wenn man mich fragen würde, was meine Hobbys sind, könnte ich heute sehr wenig antworten. Früher hatte ich viele Hobbys. Und heute? Es ist ja nicht so, dass ich nie etwas zu tun habe. Im Gegenteil. Ich habe immer noch viele Tage, an denen ich früh aufstehe und bis zum ins Bett gehen - oder mindestens bis halb zehn - meine To Do Liste abarbeite. Uni, Hausarbeit, Organisatorisches, Nebenjob, auf wichtige und weniger wichtige Nachrichten antworten, Planung. Eigentlich gibt es immer etwas, das ich tun kann. Oder muss. Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, muss ich es vor allem für mich selbst. Weil ich schlecht mit Langeweile umgehen kann.
Ein erneuter Wechsel des Kaugummis.
Wenn ich weiß, dass eine Zeit ansteht, in der ich weniger zu tun haben werde, plane ich schon, was ich in diesem Zeit tun kann, um danach in der stressigen Zeit nicht ganz so viel zu tun zu haben. Nur um dann wieder neue Sachen „vorzuarbeiten“, damit es danach nicht zu stressig wird. Will ich wirklich den Stress vermeiden? Oder will ich ihn nicht gerade permanent aufrecht erhalten? Nicht aus dem Stress herauskommen? Mir keine Ruhe gönnen?
Es ist vielleicht ein Symptom meiner Generation niemals gelangweilt sein zu wollen. Sich selbst zu hassen, wenn man zu lange auf Instagram, TikTok und Tinder unterwegs ist. Jedes Jahr als Neujahrsvorsatz zu haben, die eigene Bildschirmzeit zu reduzieren. Um fünf Uhr aufzustehen, um eine geplante Me-Time vor die anderen Termine zu schieben. Eine perfekte Morgen- und Abendroutine aufzubauen. Endlich keine Zeit für einen Serienmarathon zu verschwenden. Früh genug anzufangen. Sich das ganze Semester auf die Klausuren vorzubereiten, nur um kurz vorher doch in Stress zu verfallen. Podcasts auf 1.5facher Geschwindigkeit anhören. Scheinbar kann nicht nur ich schlecht mit Langeweile umgehen.
Ich will nach einem neuen Kaugummi greifen. Meine Hand bleibt in der Luft stecken. Kann das denn sein? Ist es möglich, dass…? Vielleicht, nur ganz vielleicht, habe ich garkein Langeweile. Vielleicht ist es etwas ganz anderes…?
„Ich genieße es jetzt, nichts zu tun zu haben“, sage ich zu mir selbst und beschließe auch meinem Darm eine Pause von der Sorbitzufuhr zu gönnen. Auch er darf einmal unproduktiv sein.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Nordlicht am 22.08.2022:

Man sagt ja, Langeweile tute auch mal gut und lässt einen sogar kreativ werden.




geschrieben von Weißehex am 23.08.2022:

Ich glaube nicht, dass Langeweile ein Problem der Generation ist. Ich bin sicher viel älter, aber auch mir ist manchmal langweilig, und dann ärgere ich mich, dass ich mit meiner freien Zeit nicht das „Richtige" anfangen kann.

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