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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von Erisso.
Veröffentlicht: 21.10.2023. Rubrik: Unsortiert


Auf der anderen Seite der Welt

„Der Turm ist das Wichtigste.“ Das haben immer alle gesagt. „Bau deinen Turm und dann sieh zu, dass du Geld verdienst.“ Und das habe ich getan. Man muss mit dem arbeiten, was man hat. Ich hatte Glück: stabiler Boden, gutes Material, viel Zeit. Perfekte Bedingungen. Doch schon der unfertige Turm passte nicht zu den Türmen rundherum, vor allem nach der Reform. Deswegen griffen gute Menschen ihn an. Indirekt zumindest. Sie verschwendeten meine Zeit, damit ich nicht mehr bauen konnte und ich bekam schlechteres Baumaterial. So verfiel der Turm nach und nach. Er bekam immer mehr Risse und manchmal hatte ich sogar das Gefühl, er würde einstürzen, was natürlich verboten wäre. Eigentlich ist der Turm dafür bestimmt, mehr oder weniger auch für sich selbst sorgen zu können. Der reine Zufall aber führte dazu, dass ein Greifvogel sich meinen Turm aussuchte, mit seinen Krallen packte und auf die anderen Seite der Welt wieder losließ. Ich habe ihn wiedergefunden, aber ich war verunsichert. Dort, in der neuen Umgebung, sah der Turm passender aus. Zumindest konnte ich mir den Turm, so wie er früher war, dort gut vorstellen. Die Leute wussten ja nicht, wie schlimm es erst drinnen war. Ich musste dafür sorgen, dass der Turm sich wieder aufbauen würde. Aber nun war es ein ganz anderer Untergrund. Eigentlich musste ich den Turm anders bauen. Aber die Leute sagen doch „Bau den Turm so, wie dein Turm von Natur aus wirkt, dass man ihn bauen soll.“. Ich hatte keine Ahnung. Ich habe mich angestrengt. Aber er gefällt mir nicht. Ich hasse ihn. Und die Anderen tun das auch. Es ist unangenehm, wenn andere Leute meinen Turm sehen, sehen wie hässlich er ist, wie diskriminierend er für Gehbehinderte ist, wie langweilig er ist, wie wenig er kann. Dabei ist er nicht mal fertig und gerade wird das wichtigste Teil, das Dach, gebaut. Aber die Anderen merken kaum etwas von dem ausgebrochenen Krieg, den ich seit dem Vogel mit meinem Turm statt den Anderen führe. Die Anderen leben sogar in ihrem Turm, machen sich gar keine Gedanken um ihn und haben Zimmer für Gäste und Zimmer, in denen sie für sich bleiben. Ich dagegen haue mir mein Finger dabei wund auszutesten, wie marode mein Turm eigentlich ist, während ich jedem erzähle, wie dankbar ich dem Greifvogel bin, der meinen Turm hier hergebracht hat.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 22.10.2023:

Phantasievoll geschrieben, gerne gelesen!




geschrieben von die Juditha am 23.10.2023:

vielleicht sollte er oder sie einen neuen Turm bauen? Auf der anderen Seite der Welt. Auch wenn dort erstmal der Boden bearbeitet werden muss...




geschrieben von Erisso am 03.11.2023:

Wenn er/sie einen neuen Turm baut, was was passiert dann mit dem Alten?




geschrieben von marjah am 04.11.2023:

Der Turm als Metapher fürs Leben - ein Leben aufbauen?
Das eigene Leben muss nur mir gefallen, doch leider werden einem immer wieder Hindernisse in den Weg gelegt. Wenn der Turm/das Leben marode ist, kann man auf der anderen Seite der Welt ganz von vorne anfangen und das ist sicher besser, als aus der Ruine um jeden Preis noch etwas machen zu wollen.
Gerne gelesen!
LG marjah




geschrieben von die Juditha am 07.11.2023:

ich fürchte, der muss vorher - in gewisser Weise - eingerissen, vielleicht abgetragen werden. (Vielleicht kann einiges wiederverwendet werden?)

Wie Kinder beim Spiel mit Bauklötzern... Bauen sie einen Turm, der nicht gefällt, werfen sie ihn um und bauen neu.

so einfach... so anstrengend...

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