Veröffentlicht: 17.05.2025. Rubrik: Menschliches
Bootsverkehr (Teil 1)
Ein herrlicher Morgen und ein nicht weniger schöner sonniger Mittagshimmel lädt mich ein, früher Feierabend zu machen, um an den See zu fahren. Es ist inzwischen doch schon länger her, dass ich mir die Zeit dafür nehmen kann, ein Boot zu mieten und einen schönen Nachmittag auf dem Wasser zu genießen. Zu meiner Enttäuschung muss ich feststellen, dass bereits alle Boote vermietet sind, und so setze ich mich erst einmal an die Bar, die direkt neben dem Bootsverleih liegt, um die Zeit zu überbrücken, bis ein Boot frei wird.
Ich ziehe die Sonnenbrille auf, gönne mir einen Aperol Spritz und beobachte das Treiben auf dem Wasser, als eine Dame mein Sichtfeld kreuzt, die augenblicklich alle meine Sinne schärft. Es ist eine von den Frauen, die es einfach nicht erlauben, keinen Blick zu riskieren, zu selten bekommt man sie zu Gesicht und dank meiner dunklen Sonnenbrille bin ich auch vor Entdeckung meiner Observierung gut geschützt und kann ungehemmt den Ausblick genießen.
Das feminine Juwel weist eine mittlere Größe auf und besitzt wahrscheinlich nordische Wurzeln, wobei ich mir hier nicht ganz sicher bin. Nicht zu schlank, aber auch nicht mollig. Ein Vorbau, der auf einen vollen Busen schließen lässt, wenn da nur nicht diese unendlich vielen Mogelpackungen im Umlauf wären, bei denen nach dem Ausziehen nur noch die Hälfte der verheißungsvollen Versprechung übrigbleibt. Das Alter ist schwer einzuschätzen, sie könnte jünger, aber auch älter sein als ich, das spielt bei solch einer Aussicht aber keinerlei Rolle.
Ihr Telefon klingelt in ihrer Handtasche, die sie leger und elegant am Unterarm trägt. Meine Anspannung wächst augenblicklich, denn der Klang einer Stimme kann jeden reizvollen Moment für mich schnell in sich zusammenfallen lassen. Oft genug habe ich schon erlebt, wie eine Augenweide zur Kuh mutiert, wenn sie nur den Mund aufmacht. Diesmal werde ich nicht enttäuscht, eine samtweiche Stimme, die in einem perfekten Hochdeutsch spricht, ohne den kleinsten Anflug eines Untertones des Landadels.
Ich schmelze wie Butter dahin, und während sie spricht, bewegt sie sich in meine Richtung, sodass ich weitere erfreuliche Details wahrnehme. Finger und Fußnägel sind manikürt und farblos matt lackiert. Ein Umstand, der meine Hochstimmung noch ansteigen lässt, schließlich ist es mir unmöglich, Frauen mit farbig lackierten Fußnägeln auch nur zu berühren. Die Fingernägel kurz geschnitten, was mich darauf bringt, dass sie vielleicht einem Beruf nachgeht, bei dem das Tragen langer Fingernägel nicht dienlich ist. Eventuell doch eine Schönheit vom Lande?
Ganz sicher kein Callgirl, die sich auch gerne mal am Hafen rumtreiben, um bei ruhigem Seegang wohlhabenden Yachtbesitzern den Nachmittag zu versüßen. Ich verdränge den Gedankengang, als sie ihr Gespräch beendet und mich anlächelt. Ich halte es eigentlich für eine verspätete Reaktion auf ihr Telefongespräch, aber als sie mich überraschenderweise direkt anspricht, weiß ich, dass es doch mir gilt.

