Veröffentlicht: 18.05.2025. Rubrik: Menschliches
Bootsverkehr (Teil 2)
Sie besitzt schöne Zähne, die zwar nicht strahlend weiß, aber in gleichmäßiger, akkurater Form stehen. Die Lippen geschwungen und fein proportioniert, ohne zu voluminös oder zu schmal zu wirken. Sie passen perfekt in ein leicht rundliches Gesicht, das durch die offenen und leicht gewellten Haare schlanker erscheint, als es ist. Rundherum eine Schönheit, die meinen Herzschlag beschleunigt und fast zum Rasen bringt, als sie das Wort an mich richtet.
„Entschuldigen Sie vielmals, ist hier vielleicht noch ein Platz frei?“ Etwas irritiert schaue ich mich um, ich habe gar nicht wahrgenommen, dass inzwischen tatsächlich jeder Tisch der Bar besetzt ist. Allerdings kann ich mir keinen Reim darauf machen, warum sie ausgerechnet mich anspricht. Wahrscheinlich ist es meinem gutmütig Väterlichen aussehen geschuldet, dass dazu verleitet zu denken, dass ich ein völlig ungefährlicher Zeitgenosse bin. Wie es sich gehört, ziehe ich erst die Sonnenbrille ab, schiebe einen Stuhl zurück, um ihr diesen dann freundlich anzubieten „Sicher sehr gerne! Nehmen Sie doch Platz. Es ist ausreichend Platz für zwei Personen vorhanden und bei der Sonnenstrahlung sollte man auch nicht zu lange im Freien bleiben.“
„Danke, sehr zuvorkommend!“ Setzt sie sich in einer fließenden und graziösen Bewegung, „Die Sonne macht mir im Allgemeinen nichts aus, aber ich habe heute das falsche Schuhwerk an und nach dem ausgiebigen Fußmarsch, den ich hinter mir habe, schmerzen meine Füße fürchterlich. Würde es Sie stören, wenn ich meine Schuhe für einen kurzen Moment ausziehe?“ „Nein, ganz sicher nicht, ich kenne die Qualen, die falsches Schuhwerk einem bereiten können, nur zu gut.“ Entgegne ich, und als sie sich hinunter bückt, um die Schuhe auszuziehen, erreicht mich eine Spur ihres Körpergeruchs, der mir verrät, dass sie wirklich schon längere Zeit unterwegs gewesen sein muss.
„Ah, gut, was für eine Wohltat!“ Massiert sie sich abwechselnd ihre Füße und Fesseln, und die Hingabe, die sie in diesen Vorgang legt, erzeugt ein angenehmes Prickeln in meiner Lendengegend. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten Mademoiselle?“ Und ich hoffe, ein ja als Antwort zu erhalten, dass mir garantiert, ihre Gesellschaft länger genießen zu dürfen. „Oh, das wäre ganz reizend von Ihnen!“ Quittiert Sie meine Einladung mit einem unsicheren Lächeln, als wenn es sie wirklich überraschen würde, dieses Angebot zu erhalten. „Ein stilles Wasser zum Durst löschen reicht völlig aus. Ich möchte Ihnen nicht mehr Unannehmlichkeiten bereiten als unbedingt nötig!“
„Keine Angst, Sie bereiten mir ganz sicher keine Unannehmlichkeiten. Ich sitze hier sowieso nur herum und warte auf mein Boot.“ „Ah, Sie haben ein Boot hier am See? Das muss sehr schön sein.“ „Nein, ich selbst habe kein Boot, das würde sich gar nicht lohnen, so wenig Zeit wie ich dafür hätte! Aber ab und zu leihe ich mir an Tagen wie diesen ein Miet-Boot und fahre für ein oder zwei Stunden hinaus, um mich auf dem Wasser treiben zu lassen!

