Veröffentlicht: 26.05.2025. Rubrik: Unsortiert
Immer den passenden Spruch ......
[Ein Straßendrabble mit 234 Wörtern]
Auf einmal ist Annegret aufgewacht. Weil sie endlich einmal zur Ruhe gekommen ist, Zeit hatte, weil sie Gedanken zugelassen hat, die aus ihrem Inneren kamen, ihr auf dem Herzen lagen, ja, wohl auch auf der Leber. So sagt der Volksmund: „Es ist ihr etwas über die Leber gelaufen.“ Ein Wunder, dass ihr die Galle nicht übergelaufen ist, als sie Rückschau hielt; beinahe wäre ihr der Kragen geplatzt.
Als es zu viel wurde, hat sie angefangen, es zu notieren. Als es ihr viel zu viel wurde, hat sie einen renommierten Psychotherapeuten aufgesucht, doch der hat bloß die Augen verdreht. Sie fing an, es für andere aufzuschreiben, schaffte es einigermaßen, ihr Unbehagen, ihr mulmiges Gefühl mitzuteilen, die Zusammenhänge in ihrem Leben zu erkennen. Immer mehr kam hoch.
Auf diese Art und Weise analysierte sie nachträglich ihr Leben, die Tatsache, dass ihr eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera geblieben war. Sie dachte darüber nach, wo es herkommt, wie es zustande kommt, dass der Teufel immer auf denselben Fleck scheißt. Jedenfalls sagte ihr Ehemann es so, der immer einen passenden Spruch auf Lager hatte.
Doch irgendwie findet sie keine Ruhe, sodass sie sich manchmal fragt, ob sie den Deckel nicht besser hätte drauf lassen sollen auf dem scheinbar Unsagbaren, auf den bislang geheim gehaltenen Erlebnissen. Wie kriegt sie den Sack nur wieder zu?
Es wird Zeit, aufzuhören zu grübeln und den Blick nach vorne zu richten.

