Veröffentlicht: 21.05.2025. Rubrik: Historisches
Anno Dazumal: Vom Kurba und der Lina (4.Teil)
[Ein Double Drabble]
Fast rund um die Uhr saß meine Oma an ihrer Singer-Nähmaschine, bei schlechtem Licht, um ihr Haus abzuzahlen. Manchmal ließ sie den Raum abkühlen dabei, zog sich fröstelnd ihre abgetragene Strickjacke über, nur um zu sparen.
Alles Leben fand in der Wohnküche statt, kochen, wohnen, nähen, auf vierzehn Quadratmetern, wo die großen Kartons mit den bereits zugeschnittenen Dirndln vor dem Büfett im Weg standen. Fesche Dirndl nähte sie, meine Oma, für die Firma Kerkenbusch.
Auf einen Wintermantel hat sie verzichtet, hat ihre dicke Strickjacke druntergezogen, einen dünnen Regenmantel drüber, ach was sage ich, es war vielmehr eine Regenhaut, die sie sich drübergezogen hat.
Selbst später, als das große Haus abbezahlt war, hielt sie die Winter im Regenmantel aus. So sehr war sie daran gewöhnt, selbstlos zu sparen, dass sie gar nichts mehr für sich ausgeben konnte. Mit ihrem Kopftücherl lief sie rum.
Einmal hat sie sich zum Friseur gewagt, sie sah gut aus mit ihrer Dauerwelle, präsentierte sich erwartungsvoll mit leuchtenden Augen, roten Backen. Doch sogleich hat ihr ihre Schwiegertochter dieses Aufleben heimgezahlt, neidisch wie sie war, ihre Schwiegertochter Viola, giftig, boshaft, sodass meine liebe Oma nie wieder diesen Mut aufbringen konnte. Schade; und ein bisserl traurig macht mich das.

