Veröffentlicht: 31.05.2025. Rubrik: Aktionen
*Erste Sommerliebe* /{Juni-Aktion 2025}
[Ein Schnapsdrabble mit 333 Wörtern]
Zum ersten Mal alleine weg von daheim, so weit weg, bis in die Bretagne, uns erschien es wie eine Weltreise.
Bei mir hatte sich neben dem unvermeidlichen Reisefieber eine unbändige Freude eingestellt, endlich eine gute Freundin gefunden zu haben, die so ein Abenteuer mit mir wagte. Was für ein Glück, was für ein unglaubliches Freiheitsgefühl! Die ganze Nacht hindurch ratterten die Waggons über die Gleise, zweimal hieß es umsteigen, in Paris den Bahnhof wechseln, bis wir endlich in Antrain ankamen, ein malerisches, bretonisches Kaff aus altem, steinigen Gemäuer. Sogleich rief abends meine Mutter an, plärrte aus Leibeskräften in den Telefonhörer wegen der weiten Entfernung, auf deutsch natürlich, ob wir heil angekommen wären; aber natürlich waren wir das.
Unter lauter Franzosen waren wir gelandet; wie schön, einmal ein ganz anderes Umfeld zu entdecken. Nicht wenige waren freilich schon in Deutschland gewesen, einer von ihnen mit seiner Handballmannschaft sogar in meiner Nähe, in Unterhaching. Schön war er, dieser junge Mann, dunkelhaarig und groß, feinfühlig mit leuchtenden Augen, wenn er mich ansah.
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich an den Bernard im Laufe der Jahre trotz aller Verzauberung kaum mehr gedacht, aber erst neulich hat Amelie mich, neidisch neckend, daran erinnert, wie wir doch am letzten Abend unseres unvergesslichen Aufenthalts mit mehreren im Nachtdunklen einen Spaziergang gemacht hatten. Nur wegen mir hatte Bernard uns angestiftet durchs mitternächtliche Dorf zu schlendern, an der alten Mühle vorbei, weil ich mich vor den anderen nicht getraut hatte, ihn zu küssen. Hinter den Auen an der Mühle zog sich die Gruppe dann auseinander, so waren wir zwei für uns alleine. Er legte den Arm um mich, fand es reizvoll, dass ich noch so unerfahren war, und küsste mich: „C'est un baiser, pas un bisou (d.h. eindeutig ein Kuss, kein Bussi)“, raunte er mir liebevoll ins Ohr, „damit du nicht ungeküsst durch Leben gehen musst.“ Ja, romantisch war es, sehr sogar; zauberhaft schön!
In meinem Inneren sind diese fröhlichen, unbefangenen Sommertage nie ganz verblasst, ausgelassen, beschwingt und verliebt, wie ich war.

