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geschrieben 2025 von Tantalos (Tantalos).
Veröffentlicht: 01.06.2025. Rubrik: Unsortiert


Eine etwas andere Liebesgeschichte - Variante brutal

Alle Angehörigen der Abteilung waren im Besprechungsraum versammelt. Herr Huber als Abteilungsleiter eröffnete die Sitzung. „Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte Euch unsere neue Mitarbeiterin vorstellen. Frau Xenia Amrehn hat ihre Traineeausbildung in der Zentrale abgeschlossen und verstärkt uns ab sofort.“ Marc Harsdörffer war beim Anblick der Neuen elektrisiert. An eine Frau wie Xenia hatte er sonst nur in seinen Träumen gedacht.
Warum nur in seinen Träumen? Seit einiger Zeit war er Single. Versuche, diesem misslichen Umstand abzuhelfen, waren mit konstanter Boshaftigkeit des Schicksals gescheitert. Und nun kommt diese Xenia herein: schlank, dunkelblond, sympathische Erscheinung mit angenehmen Gesichtszügen, etwas kleiner als Marc. Kurz gesagt: Sie war genau sein Typ.
„Meine lieben neuen Kollegen“, fing Xenia zu sprechen an und Marc war auch von ihrer Stimme begeistert. „Ich freue mich, künftig mit euch zusammenarbeiten zu dürfen, und zwar als Mitglied von Team 3.“ Marc konnte sein Glück kaum fassen: In seinem Team hätte er dann direkt mit ihr zu tun! Dieser Arbeitstag ging für ihn froh gestimmt zu Ende.

In den kommenden Monaten entwickelte sich eine gute und harmonische Kollegialität zwischen Marc und Xenia. Sie brüteten über einem Projekt für die Erschließung einer Wohnsiedlung, wofür Marc schon einige Vorarbeiten geleistet hatte. Xenia sollte ihn unterstützen, was sie auch gerne tat. So war jedenfalls sein Eindruck. Vom Abteilungsleiter kamen öfters anerkennende Rückmeldungen für die geleistete Arbeit. In gelegentlichen Gesprächen von Marc mit Xenia über private Dinge zeigte sich, dass sie an den gleichen Dingen interessiert war wie er: Theaterbesuche und Wandern. Ihr Lächeln und ihr Benehmen verliehen seinen Gedanken Flügel. Darüber bewahrte er aber eisernes Stillschweigen. Bloß nichts kaputt machen! Wenn es nicht klappt, bin ich der Gelackmeierte und stehe als Depp da.

Irgendwann muss ich mich ihr öffnen, dachte er nach einiger Zeit. Ich lasse mal einen Versuchsballon los, ich weiß auch schon wie, kreisten seine Überlegungen. Demnächst gibt es eine neue Aufführung am örtlichen Schauspielhaus; ich besorge zwei Karten und lade sie ein.
Am nächsten Arbeitstag wäre er beinahe geplatzt: Sie nahm seine Einladung an. Es folgte ein angeregter Abend mit der Aufführung und dem anschließenden Essen.
Marcs Puls klopfte wie verrückt. Leider war das eines der letzten Gespräche mit ihr, weil er zu einem mehrwöchigen Aufenthalt in einer anderen Niederlassung beordert wurde.

Nach seiner Rückkehr ging Marc mit seiner Kollegin Heike zum Mittagessen. Xenia war nicht da; sie hatte Urlaub. Sie nahmen in der Kantine Platz. Da kam auch noch Leonie, eine weitere Kollegin, mit ihrem Essen. „Wisst ihr, wen ich gestern mit einem tollen Mann gesehen habe?“, sagte Leonie mit einem breiten Lächeln. „Du wirst es gleich sagen“, entgegnete Heike. „Die Xenia! Sie kam aus einem Autohaus.“ „Sie wird sich ein Auto gekauft haben.“ „Nein, bestimmt nicht. Eher einen Mann.“ „Bist du sicher?“ „Natürlich. Man knutscht doch nicht mit dem Filialleiter des Autohändlers, wenn man ein Auto kauft.“
Marc wurde sofort hellwach. Er setzte sein Pokerface so gut auf, wie er konnte, und verfolgte das Gespräch weiter.
„Wieso weißt du das mit dem Filialleiter?“, wollte Heike wissen. Leonie antwortete mit einem in solchen Situationen wohl weit verbreiteten verschwörerischen Unterton: „Ich habe ihn gleich gekannt, weil ich neulich ein Foto in der Zeitung gesehen habe. Dort war er neben seinem Vater zu sehen, von dem er die ganze Händlerkette übernehmen soll. Und so, wie die beiden geknutscht haben, scheint da schon länger etwas zu laufen.“
Marc hatte nur noch einen Eisklumpen im Magen und versuchte, sich den Rest des Tages so gut zu konzentrieren wie es nur ging. Wieder ein Traum geplatzt? Abwarten, vielleicht klärt es sich ja auf.

Einige Tage später kam die strahlende Xenia aus dem Urlaub zurück. Marc befürchtete irgendwie, warum das so war. Richtig klar wurde es ihm dann, als Xenia vor versammeltem Team verkündete, dass sie sich mit Kevin Röllmeier, Juniorchef der gleichnamigen Autohandelskette, nach gut einem Jahr Beziehung verlobt habe. Diese für fast alle überraschende Nachricht schlug im Team wie eine Bombe ein; Xenia wurde mit Glückwünschen überhäuft.
Peng! Gab es einen Knall in Marc. So eine Sch...! Und mir hat sie die nette Kollegin vorgespielt.
„Marc, warum guckst du so?“, lächelte ihn Xenia an. „Für dich findet sich bestimmt auch noch eine!“, fügte sie mit gönnerhafter Miene hinzu und strich ihm zärtlich über den Arm. „Ja, sicher“, brachte Marc mit Mühe heraus. In Wirklichkeit dachte sie wohl: Ich habe aber einen Liebhaber und du bist Single, ätschi-bätsch. So rumorte es in seinem Hirn.
Er konnte den Feierabend kaum abwarten, um nach Haus fahren zu können. Wie er dorthin kam, wusste er später nicht mehr zu sagen, so geplättet war er. Bis in die Nacht starrte er stumm die Wände seiner Wohnung an.

An einem freien Tag war der nur noch Eiseskälte empfindende und total abgestumpfte Marc mit einem eigens geliehenen Auto unterwegs. Er parkte etwas versteckt in der Nähe des Haupteingangs der Filiale des Autohandels Röllmeier, in der Kevin das Sagen hatte. In seiner Jackentasche befanden sich ein scharfes Küchenmesser und die während seiner Bundeswehrzeit auf einem Truppenübungsplatz gefundene Pistole, die er bis zum jetzigen Zeitpunkt gut versteckt hatte. Man weiß ja nie, wann man so etwas brauchen kann.
Da! Xenia fuhr mit ihrem Wagen, den er kannte, vor und stieg aus. Kevin, der Autohändler, kam aus dem Gebäude, ging auf Xenia zu und zog sie an sich heran, um sie zärtlich zu küssen.
Jetzt reichte es Marc, der bei diesem Anblick innerlich explodiert war. Er startete den Wagen, fuhr dicht an das Paar heran und stieg aus. Die Pistole auf Kevin gerichtet trat er auf die beiden zu. „Marc!“ Xenia starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Aus geringer Distanz traf eine Kugel Kevins Kopf; ein großer Fleck aus Blut und Hirn zierte infolgedessen die Fassade. Das Messer herausholend ging er auf die jetzt hysterisch kreischende Xenia zu und versetzte ihr einige tiefe Schnitte im Gesicht. Sie hätte bestimmt nie mehr ein hübsches Aussehen und würde ihr Leben lang an diesen Moment denken müssen.
Schließlich steckte sich Marc den Pistolenlauf in den Mund und drückte ab. Das Zerreißen seines Schädels spürte er nicht mehr.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 02.06.2025:

Dies ist wirklich eine äußerst brutale Variante, bei der es keine Sieger gibt. Ich hab es nicht so mit Mord und Totschlag, deshalb ziehe ich vor, dass er Alkoholiker wird ;)
LG Babuschka




geschrieben von Tantalos am 02.06.2025:

Liebe Babuschka,
Es stimmt, diese Variante ist alles andere als schön. Aber keine Sorge: die Variante Rosamunde Pilcher ist bald verfügbar (ich habe sie heute abgeschickt). Halte schon mal Taschentücher parat.

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