geschrieben 2023 von Matthias Stilke (CaptainX).
Veröffentlicht: 13.08.2025. Rubrik: Fantastisches
DUELL IM ABENDROT
DUELL IM ABENDROT
Rene Kaufmann war nach vielen schweren und schwersten Straftaten auf der Flucht vor den Imperialen Behörden. Vor einiger Zeit hatte er sich einer Gruppe Vargr-Korsaren unter Kommandant Ghudhtha angeschlossen. Ghudhtha verfolgt seit geraumer Zeit einen Frachter mit einen wichtigen Passagier an Bord. Für Rene war jedoch die Ladung wertvoller.
Auf der Suche nach diesem Schiff verschlug es sie nach Eathen, einem kleinen Grenzplaneten am Rande des Imperiums. Auf dem Raumhafen erhoffen sie weitere Informationen auf den Verbleib des Schiffes zu finden. Ghudhtha wollte unbedingt den Passagier in Gewahrsam nehmen, aber Rene hatte andere Pläne und war nur an der Ladung interessiert.
***
Vor etwa zwei Wochen hatte unser Schiff 'Doppelkralle' das letzte Mal Eathen 'besucht'. Von Berentin kommend, hatte Kommandant nach einem zweiwöchigen, langweiligen Flug feststellen müssen, dass unsere Beute, weder 'Sieglinde' noch 'Fliegender Stolz' hier aufgetaucht waren. Seinem Jagttrieb folgend, ließ er das Scoutschiff 'Eisennagel' seiner kleinen Flotte im System zurück und setzte Kurs auf das System 122-930. Dort fanden wir jedoch nur ein ehemaliges Besatzungsmitglied der 'Sieglinde'. Anscheinend hatte es an Bord so etwas wie eine Meuterei gegeben, aber daran war Ghudhtha nicht interessiert. Der Mensch hatte in seiner Todesangst (die Kommandant sehr genoss) noch viele weitere Informationen über Besatzung und Kurs preisgegeben, so dass er jetzt besser denn je informiert war. Der Mensch war physisch und psychisch am Ende. Wegen diesem Leids und der Möglichkeit es noch zu verschlimmern und zu verlängern zu können, ließ Kommandant ihn am Leben. Leider hatten wir wieder Zeit verloren, aber diesmal standen die Chancen gut, die Beute auf Eathen zu stellen, zumal die 'Eisennagel' dort auf Posten war.
Die Fährte war wieder frisch.
***
Kommandant wusste, dass die 'Sieglinde' vor kurzem erst im Raumhafen auf Eathen war. Raumhafen! Es war eine große umzäunte Rasenfläche mit einer Handvoll Gebäuden inmitten der lichten Nadelwälder des Hauptkontinents des Planeten - mehr aber auch nicht.
Schon dämmerte der Abend; die Doppelsonne stand tief am Himmel und warf lange Schatten. Kommandant hatte beschlossen zu landen und aus dem Hafenwart, einem kleinen, einfältigen Waldbauern mit Namen Lembert, Informationen über das gesuchte Schiff zu pressen. Um Angst und Schrecken zu verbreiten, nahm er diesmal hierfür seine Marineleute mit - eine Gruppe wüst aussehender und schwer bewaffneter Söldner. Er hatte auch vor, dem Depot des Raumhafens einen Besuch abzustatten, um unsere Proviantvorräte aufzustocken. Das letzte Mal hat sich einer von Lembert's Leuten geweigert, die Waren herauszugeben. Er war dabei gesundheitlich nicht gut weggekommen; es war aber auch zu einer kleinen Verzögerung gekommen - und das sollte sich nicht noch einmal wiederholen. Kommandant hatte viele Stärken, aber Geduld gehörte nicht dazu.
Wir sammelten uns im unteren Laderaum und verließen das Schiff über die Luftschleuse. Kommandant ging voran. Die Luft roch würzig nach frischem Harz und ein leichter Wind strich über die Baumwipfel. Aber auch das interessierte Kommandant überhaupt nicht. Seine Marinetruppenleute hatten sich ihre Waffen umgehängt und schlenderten lässig ihm hinterher.
Gegenüber der Schleuse, ein Stück weiter voraus, befand sich das Terminalgebäude. Davor und an den Seiten standen diverse Kisten, Kästen und Container in verschiedenen Beladungszuständen. Die Sonne ging unter und tauchte die Szene in ein sanftes Rot.
Mein Alarmsinn klingelte! Irgendetwas stimmte nicht. Ich sah mich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Mitten in der breiten Tür des Gebäudes stand Lembert, breitbeinig, die Arme verschränkt und das breite Kinn kampflustig vorgeschoben - eine Körperhaltung, die Kommandant wohl nicht so recht einordnen konnte.
»Hey!«, rief er. »Ihr seid hier nicht erwünscht! Verschwindet!!«
Unser Rudel hielt abrupt an. Die Dümmeren unter uns lachten, ob dieser obskuren Situation und Aufforderung. Die Klügeren packten ihre Waffen fester und beäugten misstrauisch die Umgebung.
Zunächst war Kommandant sprachlos - dann bahnte sich eine unbändige Wut hervor und suchte sich ein Ventil: »Was fällt dir ein, so mit mir zu reden! Du hast soeben dein Todesurteil unterschrieben!«, brüllte er und hob sein Kampfgewehr.
Lemberg stand nur da, sagte: »HA!« und stieß einen Pfiff aus. Aus den Schatten der umgebenen Container und Lagerhallen lösten sich mehrere Personen. Erst drei, vier, dann acht und plötzlich waren wir von mehreren Dutzend Sassen umstellt.
Viel zu spät fiel mir dann auch ein, was mich die ganze Zeit störte - nämlich nicht das, was da war, sondern das, was nicht da war! Immer wenn wir hier waren, kamen Männer, Frauen und Kinder und begafften ängstlich uns und unser Schiff. Diesmal hatten sich alle in Sicherheit gebracht. Diese Waldbauern hatten uns eine Falle gestellt! Kaum zu glauben!
Jeder Sasse hielt eine schweren Drehflinten in den Händen. Jetzt lachten nur noch die Allerdümmsten. Diese uralten Waffen waren zwar auf diese Distanz nicht allzu treffsicher, durch ihre Masse würde für uns die Luft allerdings sehr bleihaltig werden, wenn eine Ballerei losgehen sollte.
Ich weiß nicht, ob einer von uns eine falsche Bewegung gemacht hatte, oder ob ein Sasse einfach die Nerven verlor. Einer dieser Burschen schoss auf einmal und die anderen fielen mit ein. Es knallte höllisch aus allen Richtungen und Schrot und Schrapnellen pfiffen uns um die Ohren. Der Vargr neben mir stürzte getroffen zu Boden und den Schreien und Rufen zur Folge, wurden auch noch andere getroffen.
Während einige sich in diesem Chaos zum Schiff zurück orientierten, erwiderten andere das Feuer. Das erwies sich als schwierig, denn die Drehflinten entwickelten bei jedem Schuss so viel Rauch, dass wir kaum etwas sehen konnten. Trotzdem wurden einige Sassen getroffen und standen nicht mehr auf.
Auf die Intensität des Feuers wirkte es sich jedoch nicht aus. Es knallte unablässig von allen Seiten und es war fast nichts mehr zu sehen.
Wie auf ein geheimes Zeichen bewegte sich dann unsere gesamte Gruppe zum schützenden Schiff zurück. Ich sah, dass Kommandant am Kopf getroffen war. Er hielt sich mit der Hand das linke Auge zu und ballerte mit seinem schweren Sturmgewehr ungezielt in die Rauchwand.
Als sich die Schleuse hinter uns schloss, brüllte er: »Kampfstationen besetzen! Wir brennen den Raumhafen und diese verdammte Siedlung nieder.« Sanitäter erschien wie aus dem Nichts und wollte seine Kopfwunde versorgen. Kommandant schob ihn unsanft zur Seite. Schwarzes Blut quoll zwischen den Fingern auf seinem Auge hervor. Vielleicht hat er sogar es verloren!
Die Gegend hier platt zu machen war natürlich keine gute Idee, aber schon unter normalen Umständen war Kommandant nicht gerade sehr ... umgänglich. Jeder, der ihm jetzt mit Vernunft und Logik kommt, war mordgefährdet.
Während die Crew zu ihren Kampfstationen rannte, kam über Intercom eine Meldung von der Brücke: »Brücke an Kommandant. Wir werden mit Brandbomben angegriffen.« Wahrscheinlich Flaschen mit brennbaren Flüssigkeiten, dass sich beim Aufprall durch einen externen, brennenden Docht entzündet - das würde zu den Sassen passen. Für die Außenhaut eines Schiffes war es kein Problem - in den Nahtstellen der vielen Schiffskomponenten oder in den Düsen könnte es aber schwere Schäden anrichten!
Das wusste Kommandant auch: »Notstart! Sofort!«
Während wir nach oben auf die Brücke hechteten, spürte ich an den Vibrationen, dass Pilot die Startprozedur eingeleitet hatte. Mein Platz war jetzt an der Seite von Kommandant - auch wenn die nächsten Stunden sicherlich nicht angenehm sein würden.
Kommandant Ghudhtha ließ sich schwer in den Kommandantensessel fallen. Seine gesamte linke Gesichtshälfte war blutüberströmt. Das schwarze Blut stand im völligen Kontrast zu seinem schneeweißen Gesichtsfell. Anscheinend hatte es sein linkes Auge erwischt. Sanitäter war hinter uns mitgekommen und tupfte nun mit Kompressen an der Wunde herum. Kommandant nahm ihn gar nicht wahr.
»Auf einhundert Meter Höhe gehen. Raketen klar zum Gefecht.«, schrie er in seiner Wut.
Ich hatte einen Kloß im Hals! Er wollte tatsächlich Raumhafen und Siedlung den Erdboden gleichmachen! Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihn davon abbringen konnte, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen. Verängstigte Bauern herum zu schubsen und ihnen etwas Vieh und Ausrüstung zu stehlen, war eines. Das, was Kommandant jetzt aus einem Impuls heraus zu tun gedachte, war offener Krieg! Offiziell waren wir zur Zeit Verbündete des Imperiums. Die Navy würde so eine Aktion bestimmt nicht auf sich beruhen lassen. Die Folgen wären für uns und den ganzen Clan unabsehbar.
Da spielte mir das Glück in die Karten. Es kam eine Meldung von unserem Beiboot der 'Gangoo' herein: »Gangoo an Doppelkralle. Princess entdeckt Vermutlich die Sieglinde. Position 50 Grad 195 Meilen. Steigflug. Erwarte Befehle.« Mit einer Handbewegung stoppte er den Angriff und überlegte. Sanitäter nahm diese Gelegenheit wahr, ihm seine Kopfwunde zu verbinden. Diese kurze Pause war für mich die Gelegenheit, an seinen Verstand zu appellieren und Zeit zu gewinnen: »Kommandant. Diese Siedler können warten. Wir dürfen das Schiff nicht entkommen lassen.«
»Halt dein Maul, du rudelloser Sohn einer Mätresse.«, herrschte er mich an. Beleidigungen war ich gewohnt. Aber da er sich jetzt für so etwas Zeit nahm, konnte ein Zeichen dafür sein, dass sein Verstand wieder angefangen hatte zu arbeiten. Ich blickte demütig zum Boden und wartete auf seine Entscheidung.
»Angriff abbrechen. Abfangkurs auf die Princess. Maximale Geschwindigkeit.«
Puh! Das war knapp!
Die 'Doppelkralle' drehte sich und schoss davon.
Es dauerte nicht lange, da hatten wir unsere Beute eingeholt. Der Pilot der Princess hatte unseren Anflug bereits früh bemerkt und ist in einen Tiefflug übergegangen. Er hoffte wohl, dass durch die Nähe zu den Baumkronen und der Oberfläche unsere Sensoren ausreichend gestört werden.
Das war ein Irrtum. Unsere Beute konnte nicht mehr entkommen. Kommandant gab schon wieder Befehle für einen Angriff. Seine Verletzung trübte wohl zunehmend seine Objektivität ein.
»Kommandant. Prinz Narro ist an Bord. Lebendig ist er viel mehr wert als ein toter Märtyrer. Außerdem haben sie eine Fracht an Bord, die nicht nur wertvoll ist, sondern auch Macht bedeutet.«
Er stoppte wieder die Attacke mit einer Handbewegung und sah mich wütend mit seinem verbliebenen Auge an. Sanitäter hatte ihn das verletzte Auge und den halben Kopf verbunden und sich dann schnell verdrückt.
»So! Was hast du vor?«
»Wir zwingen sie zur Landung. Ich gehe rüber und erwirke die Auslieferung von Narro und der Fracht gegen freies Geleit der Crew.«
Er überlegte: »Nein! Ich will Narro. Die Crew muss sterben.«, sprach er und zog die Leffzen hoch. Das war das Todesurteil für die Besatzung - was mir zwar egal war, aber Kommandant würde dabei sicherlich auch das Schiff in tausend Teile sprengen - und das musste ich irgendwie verhindern.
Fortsetzung folgt ...
Autor: Matthias Stilke
Geschrieben: November 2023

