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geschrieben 2025 von Hubert Staller.
Veröffentlicht: 16.11.2025. Rubrik: Aktionen


Waldpilz - Gericht

Leichter Herbstregen klopfte sanft an die Scheiben des kleinen Restaurants, als Maria den Tag begrüßte. Sie überprüfte die Gaststube auf Reinlichkeit, wischte Staub und stellte frische Blumen auf die Tische. Dann begab sie sich in die Küche und traf die notwendigen Vorbereitungen für das Mittagessen.

Als Tagesgericht favorisierte sie heute ein Gericht aus Waldpilzen. Die Waldpilze wurden gestern von Pilzsammlern geliefert. Maria bereitete Pilzgerichte immer so zu, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Diese Pilzgerichte waren schon immer ein Geheimtipp für alle Gäste: „Zum goldenen Hirsch“.

Zur Mittagszeit trafen die ersten Gäste ein. Ein älterer Herr nahm an einem Tisch am Fenster Platz. Die Bedienung ging zu ihm und fragte freundlich nach seinem Wunsch.
„Das Tagesmenü bitte. Dazu eine Apfelschorle“, antwortete der Herr.
„Arbeitet bei Ihnen auch eine Maria?“, fragte er. „Sie müsste in meinem Alter sein.“
„Ja, sie ist unsere Chefin“, antwortete die Bedienung.
„Haben Sie einen besonderen Wunsch?“
„Ja, ich möchte Sie gern sprechen.“
Die Bedienung nahm die Bestellung auf, ging zur Küche und sagte Maria Bescheid.

Als Maria zum Tisch des Herren ging, erkannte sie Erich. Der flotte Erich, so wurde er damals in ihrer Jugendzeit genannt, war alt geworden. Seine Gesichtszüge aber hatten sich nur wenig verändert. Dieser überhebliche und arrogante Ausdruck aber war immer noch dominant.
Einst hatte Maria diesen Mann geliebt. Er war ihre erste große Liebe. Erich buhlte lange um sie. Und Maria gefiel es, so begehrt zu werden. Als sie sich ihm zum ersten Mal hingab, war sie wie benommen. Sie träumte von einer Familie mit zwei Kindern, einem kleinen Haus und einem sorgenfreien Leben. Doch als Erich fertig war, zog er seine Hosen hoch, schaute auf die Uhr und sagte, dass er jetzt gehen müsse. Er habe noch einen Termin.
In der Kneipe machte er sich lustig über sie. Stolz zeigte er seinen Unterarm. Auf ihm hatte er die Namen der Mädchen tätowieren lassen, denen er bereits die Jungfräulichkeit genommen hatte. „Maria ist die Nummer vier und erhält auch einen Platz auf meinem Unterarm“, posaunte er in die grölende Tischrunde.

Als Maria davon erfuhr, war sie wütend. Wütend über sich und wütend über den Verrat ihrer Liebe. Sie schwor Rache. Doch Erich verschwand aus dem Dorf und aus ihren Leben.
Erzählt wurde, dass er auf einem Hochseefrachter angeheuert hatte. Vergessen konnte sie das Geschehen jedoch nicht. Jetzt war er zurück, sitzt er hier und wartet auf sie.
Maria trat vor den Tisch und fragte nach seinem Wunsch.
„Erkennst du mich, Maria?“, fragte Erich.
„So richtig weiß ich nicht, wer sie sind“, antwortet Maria. „Ich vermute, Sie sind Erich.“
„Ja, ich bin Erich“, antwortete er. „Meine Mutter ist verstorben und ich muss ihren Haushalt auflösen. Du könntest mir gern dabei helfen. Ich kenne sonst niemanden, den ich ansprechen kann und der mir helfen würde.“
„Ich habe hier genügend zu tun, Erich. Speise du erst einmal zu Mittag. Wir unterhalten uns später. Ich muss in die Küche. Dort wird jede Hand gebraucht.“

Maria ging in die Küche und begann das Tagesgericht für Erich zuzubereiten.
Sie nahm eine Handvoll grob geputzter Pfifferlinge. Dazu einige braune und weiße Champignons. Die Fliegenpilze putzte sie sehr säuberlich, schnitt sie klein und mischte sie unter. Dazu ein Hauch Knoblauch, eine Prise Thymian, Salz und Pfeffer.
In eine flache Pfanne gab sie Butterschmalz und wartete, bis er geschmolzen war und anfing zu singen. Dann gab Maria die geschnittenen Zwiebeln hinein. Diese brauchten nur wenige Minuten, um glasig zu werden. Sie streute sehr sorgfältig die Pilze dazu. Diese sprangen wie wild in der Pfanne. Maria bändigte sie behutsam mit dem Kochlöffel und ließ die Flüssigkeit verdampfen, bis die Pilze gebräunt waren. Jetzt, das war ihr Geheimtipp, gab sie einen Löffel Butter dazu. Die Butter schmiegt sich sanft um das Pilzgericht und unterstützt den Geschmack. Zum Frischhalten der Aromen gibt sie ein paar Spritzer Zitronensaft und einen Schuss Weißwein in das Gericht. Nun noch ein wenig Sahne einrühren und die Soße wird wie eine samtige Decke. Noch zwei, drei Minuten köcheln und fertig ist das Waldpilzgericht.
Sie bereitete dieses Gericht auf einem Teller zu und garnierte es mit ein paar Höckern Petersilie. Dazu zwei getoastete Brotscheiben.
Maria nahm den Teller und servierte ihn Erich.
„Guten Appetit, Erich. Lass es dir schmecken“, sagte sie und lächelte. „Wir unterhalten uns gern später.“
Erich nickte bedächtig und sog den Duft ein. „Dieses Gericht hat den Wald eingefangen“, sagte er. „Ohne Eile, mit Geduld und einer Prise Mut.“ Er nahm einen Bissen und schloss die Augen. Der Raum roch nach Regen, Waldboden und einer warmen Küche.
„Bis später, Maria“, sagte Erich und begann zu speisen.

Später kam die Bedienung zu Maria. Der Gast sei aufgestanden und habe torkelnd, wie im Delirium, die Gaststätte verlassen. Ich dachte, er geht zur Toilette. Aber er ist nicht zurückgekommen. Ein Gast habe gesehen, wie er mit dem Auto weggefahren ist.
Maria machte sich eine Notiz und heftete diese an die Pinnwand. „Er wird schon wiederkommen“, sagte Maria.

Gegen Abend kamen Einsatzkräfte, die an einer Unfallstelle tätig gewesen waren. Sie nahmen an einem großen Tisch Platz und begannen mit der Auswertung des Unfalls.
„Er war eindeutig zu schnell und hatte sich versteuert. Im freien Fall den Abhang hinunter, das überlebt niemand.“
„Ja“, sagte der Einsatzleiter, „so nehmen wir es auch zu Protokoll. Damit können wir diesen Fall auch schließen.“

Maria hörte diese Worte, als sie die erste Lage Bier servierte.
Dann ging sie mit festem Schritt zur Pinnwand, entfernte den Zettel, zerknüllte ihn und sagte: „Geht aufs Haus. Dieses Waldpilz - Gericht hat ein Urteil gesprochen und auch vollstreckt.“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 16.11.2025:
Kommentar gern gelesen.
Lieber Hubert,
es waren wohl die Fliegenpilze, die solche Auswirkungen auf Erichs Fahrweise gehabt haben. Irgendwie geschieht es ihm recht.
LG Babuschka

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