Veröffentlicht: 10.06.2025. Rubrik: Aktionen
Verliebt in I.aah
Ich war ungefähr vier Jahre alt. Wir wohnten in der Nähe der Erdinger Molkerei, wo mein Papa als Hausmaurer gearbeitet hat. Von uns aus war der Stadtpark nicht weit – und meistens gingen wir am Wochenende genau dorthin, zum Tiergehege.
Wir liefen an der Straße entlang, durch kleine Gassen, über eine schmale Brücke, dann den Weg entlang bis zur nächsten, etwas breiteren Brücke. Unter ihr floss ein kleiner Fluss.
Nach der Brücke führte ein schmaler Gehweg Richtung Park. Unser Sportwagen war vollgepackt – an den Henkeln hingen Tüten, im Wagen lag ein kleines Kissen, und unten im Gitterraum waren auch Taschen verstaut.
Ich war die älteste, und meine beiden Schwestern liefen immer vor und zurück. Besonders meine dritte Schwester brachte Mama manchmal fast zur Verzweiflung. Sie rannte weit voraus – und plötzlich stand sie direkt am Flussbett und wollte gerade die Hände ins Wasser stecken. Papa eilte hin und nahm sie schnell an die Hand. Meine zweite Schwester lief währenddessen immer wieder am Sportwagen vorbei – hin und zurück.
Dann, kurz nach einer Biegung, geschah es wieder:
Ein lautes „I.AAH – I.AAH – I.AAH!!!“ hallte durch die Luft.
Ich war felsenfest davon überzeugt – es galt mir!
Mein Herz pochte, ich war ganz aufgeregt.
Ich wollte zu meinem Geliebten Esel – er rief nach mir!
Ich zog an der Hand meiner Mutter, wollte schneller zu ihm, so schnell es nur ging.
Jedes Mal, wenn wir zum Park gingen, ungefähr an derselben Stelle, iaahte mein Esel. Ich war sicher: Er wartet auf MICH.
Aber es ging viel zu langsam. Der lange, schmale Weg schien ewig zu dauern…
Nach viel Hin-und-Her-Lauferei um den Wagen kamen wir endlich an. Noch über die schöne, breite Brücke – damals durfte man dort noch Enten und Schwäne füttern.
Wir warfen das Brot von der Seite hinein, wo das Wasser herkam. Papa hatte uns erklärt, das Brot müsse nass sein, damit die Enten keinen Bauchweh bekommen.
Wir sahen zu, wie es unter der Brücke hindurchschwamm – und wie die Enten es wegschnappten.
Dann, endlich, zum Tiergehege mit den großen Vogelkäfigen – und da:
„I.aaah…“
Er rief nach mir!
Ich rannte voraus, der Esel lief auf und ab, streckte seine Schnauze an den Zaun.
Meine kleine Hand wurde ganz feucht, mein Herz ganz weich. „Ach, mein Esel …“
An der Seite war ein Holzfach angebracht – dort lagen manchmal Karotten. Ich hatte Glück! Eine lag noch darin, die ich ihm jetzt geben konnte. Kaum hatte ich sie hingehalten, war sie auch schon weg.
Von meinem Liebling war ich nur schwer zu trennen.
Erst mit viel Überredungskunst meiner Eltern gingen wir weiter in Richtung Spielplatz. Auch dort war es schwierig, uns wieder loszueisen.
Dann rief unsere Mama: „Kommt, lasst uns Brezeln holen!“
Und das war das Zauberwort.
Denn beim Bäckerladen gab es mittelgroße Brezen – eine für uns drei Kinder, die wir uns teilten, und eine teilten sich unsere Eltern.
Ein kleines Stück ließ ich übrig, um es meinem Liebling beim nächsten Mal zu geben – meinem Esel.
Und auf dem Heimweg hörte ich ihn noch einmal:
„Iaaah – Iaaah – Iaaah!“

