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geschrieben 2025 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 09.05.2025. Rubrik: Menschliches


Wurst- und Durstgeschichten - Der Hanswurst im Fitnessstudio

Es begann, wie so viele Katastrophen in meinem Leben: mit einer verlorenen Wette. Der Hape hatte behauptet, er könne den Bierdeckel so flippen, dass er genau in mein halbvolles Bier fällt. Ich habe gesagt: „Niemals. Eher gehe ich mit dir ins Fitnessstudio, Hape.“ Tja. Falsch gedacht. Der Deckel landete punktgenau, es gab eine kleine Überschwemmung auf dem Tisch und viel zu viel Genugtuung in Hapes Gesicht.

„Abgemacht ist abgemacht“, sagte die Jaqueline, die die Wette mitbekommen hatte und ihr sportliches Grinsen aufsetzte. „Ihr kommt beide mit mir ins Studio. Montag. 10 Uhr. Und ich will euch schwitzen sehen.“

Der Hape war still. Ich war fassungslos. Und der Schorsch warf nur ein: „Na dann, viel Spaß ihr Luftpumpen.“

Also, streng genommen hätte ich da gar nicht mitgehen müssen. Ich, der Hanswurst, literarische Figur im Dienst des Autors, hätte auch einfach sagen können: „Nein, lass mal, Jaqueline. Geh du ruhig mit dem Hape alleine ins Studio, ich bleib beim Schorsch und warte, bis die Fritteuse mir was zu sagen hat.“ Aber – so ist das halt, wenn der Autor was anderes will.

Montag. 9:52 Uhr. Ich stehe im Eingangsbereich eines Fitnessstudios, das klingt wie eine Mischung aus Techno-Festival und Zahnarztpraxis. Überall spiegelnde Oberflächen, LED-Beleuchtung, junge Körper in bunten Lycra-Outfits. Ich trage ein altes T-Shirt von einem Grillfest 1998 und eine Jogginghose mit Farbe drauf. Der Hape sieht nicht besser aus. Seine Hose glitzert. Wahrscheinlich versehentlich.

„Seid ihr bereit?“ ruft Jaqueline und kommt uns in ihrem neonfarbenen Outfit entgegen, als wäre sie direkt aus einem 80er-Jahre-Aerobic-Video gesprungen. Ihre Trinkflasche sagt: „Quäl dich, du Sau!“.

„Ich fühle mich fehl am Platz“, murmle ich.

„Ich fühle mich verfolgt von Spiegeln“, sagt der Hape.

Dann geht’s los. Erst das Aufwärmen. Jaqueline hüpft auf einem Trampolin, als hätte sie das Physikgesetz Schwerkraft noch nie gehört. Der Hape und ich versuchen mitzuhalten. Ich glaube, ich habe mir beim Aufwärmen einen Muskel in der Seele gezerrt.

Dann Geräte. Ich lande auf etwas, das aussieht wie ein Folterstuhl für gutgelaunte Büroangestellte. Die Trainerin sagt, ich soll „den Core aktivieren“. Ich versuche, den Satz zu verstehen, während mein Gesicht rot wird und mein Rücken Geräusche macht.

Der Hape sitzt auf dem Rudergerät. Es sieht aus, als würde er rückwärts flüchten. Nach drei Minuten lässt er sich einfach umkippen und sagt: „Ich bin das Meer.“

„Das hier ist die Hölle,“ sag ich, während ich auf einem Stepper stehe, der sich anfühlt, als würde er mich langsam, aber sicher in den Herzinfarkt schleichen lassen.

„Das ist nicht die Hölle,“ keucht der Hape vom Spinning-Rad neben mir, „das ist schlimmer. Das ist eine kapitalistische Selbstoptimierungsanstalt im Glanze neoliberaler Körperfetischismen.“

„Genau!“ sag ich, erleichtert, dass ich den Satz nicht selbst formulieren musste. Ich starre auf das digitale Display, das behauptet, ich hätte 47 Kalorien verbrannt. 47! Dafür hab ich mich vorhin fast umgebracht, als ich die Flasche isotonischen Getränks aus dem Automaten fischen wollte und dabei beinahe zwischen zwei Yogamatten eingeklemmt wurde.

Im Kursraum läuft ein Programm namens „Body Inferno“. Wir stehen am Rand und schauen zu. Jaqueline turnt in der Mitte mit, wie eine Göttin des Schweißes. Der Trainer – ein Mann mit mehr Bauchmuskeln als gesunder Menschenverstand – schreit motivierende Sachen wie: „Denk an deinen Sommerkörper!“

Ich flüstere zum Hape: „Mein Sommerkörper liegt lieber im Schatten.“

„Mein Sommerkörper ist ein Getränkekasten“, sagt er.

Wir lachen. Zu laut. Der Trainer schaut. Wir tun so, als dehnen wir uns. Ich glaube, ich hab mir dabei die Psyche gezerrt.

Später in der Sauna. Ja, wir haben’s irgendwie überlebt. Ich bin matschig wie ein zu lang gekochter Blumenkohl. Der Hape liegt da, als wolle er nie wieder aufstehen.

„Warum machen Menschen das?“ frage ich.

„Damit sie sich lebendig fühlen“, sagt Jaqueline, die kaum schwitzt und schon wieder wach aussieht.

„Ich fühl mich wie gekochtes Gemüse“, sage ich.

„Ich auch“, sagt der Hape. „Aber wenigstens Bio.“

Wir diskutieren. Über Fitnesswahn. Über Körperkult. Über Selbstoptimierung. Jaqueline sagt, Bewegung sei wichtig, gerade im Alter. Ich sage, im Alter sei wichtig, die Ruhe zu schätzen. Der Hape bringt das Gleichnis vom Bierbauch als Ausdruck innerer Reife.

Nach dem Duschen stehen wir dann noch draußen vorm Studio. Die Jaqueline kommt strahlend raus, als wäre sie gerade durch ein Yoga-Tor zur Erleuchtung gelaufen.

„Na?“ fragt sie. „Wie war’s? So alles in allem?“

„Körperlich demütigend. Philosophisch inspirierend,“ sagt der Hape.

„Ich hab mich bei einem dieser Geräte gefühlt wie ein Schwein auf einem Drehspieß,“ sag ich. „Aber immerhin hab ich dabei über den Sinn des Lebens nachdenken können. Zum Beispiel: Warum muss ich mich bewegen, wenn ich auch sitzen kann?“

Am Ende einigen wir uns: Jeder hat seinen eigenen Weg. Manche laufen ihn auf dem Laufband. Andere gehen ihn in Flipflops zum Imbiss ums Eck.

Und genau dort landen wir. Der Schorsch serviert Currywurst mit einem Seitenblick. „Na? Fitnesshelden?“

Ich sage: „Ich hab heute geschwitzt. Aber nicht für den Sommer. Sondern fürs Leben.“

„Und für die Wette“, sagt der Hape.

„Und für die Geschichte“, murmele ich.

Denn ja – ich bin der Hanswurst. Und der Autor hat mich da reingeschrieben. Aber ich hätte ja auch verlieren können beim Bierdeckelwerfen. Hab ich aber nicht. Dachte ich. Tja...

ENDE

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Rautus Norvegicus am 17.05.2025:

"Bierbauch als Ausdruck innerer Reife" Ein super Spruch. Leider kenne ich keinen mit Bierbauch, dem ich diesen Satz reindrücken könnte. Kenne nur eine etwas primitivere Variante: Lieber einen Bauch vom saufen, als einen Buckel vom arbeiten.

Beste Grüße,

Rautus Norvegicus

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