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geschrieben 2025 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 09.05.2025. Rubrik: Unsortiert


Wurst- und Durstgeschichten - Der Hanswurst und die verschwundene Soße

Ich bin ja einiges gewohnt. Dass der Schorsch morgens flucht, weil das Bier warm ist. Dass der Hape sich beschwert, wenn der Schaum nicht fotogen genug ist. Dass der Getränke-Manni mit einem Atem wie eine Altglas-Tonne um 8 Uhr früh in den Imbiss torkelt und sagt, er sei auf dem Weg zur Arbeit. Alles schon gesehen. Alles schon gerochen. Aber das hier… das ist neu.

Der Schorsch steht da, als hätte ihm jemand den Grill weggeschossen. Starrt auf den leeren Eimer. Dann zu uns. Dann wieder auf den Eimer. Und sagt nichts.

„Was ist denn los?“ frag ich.

Er antwortet nicht. Er hebt den Eimer hoch. Hält ihn uns hin wie eine Reliquie. Leer. Kein Tropfen. Keine Spur. Nur noch der Geruch.

„Weg“, murmelt er.

„Was weg?“

„Die Soße.“

Der Hape stellt sein Bier ab. Ich mein – stellt sein Bier ab! Das muss man sich mal vorstellen. Und schaut. Ich schau auch. Der Schorsch atmet jetzt nur noch durch die Nase. Und dann setzt er sich auf seinen eigenen Hocker hinter der Theke. Als hätte er den Glauben verloren. Oder zumindest die Mittagskarte.

„Also... hast du sie vielleicht woanders hingestellt?“

„Ich. Stell. Die. Nie. Woanders. Hin.“

Der Hape und ich schauen uns an. Ein Ausdruck breitet sich aus, den man vielleicht als kulinarisches Entsetzen beschreiben könnte. Oder die Wurst ohne ihren Sinn.

„Wurde sie... gestohlen?“ frag ich.

„Kann gar nicht sein“, sagt der Schorsch. „War über Nacht alles abgeschlossen. Nur der Manni hat ’nen Schlüssel, und der weiß ja nicht mal, wo links ist.“

Das stimmt. Der Manni ist zwar der Lieferant des Vertrauens, aber er hat so was wie einen Orientierungssinn nur auf der Z-Achse. Also nach unten. Richtung Boden.

„Dann...“ beginnt der Hape, „...müssen wir sie finden.“

So beginnt unser seltsamster Fall. Die Suche nach der verlorenen Soße. Kein Spaß. Kein Krimi. Kein Fiction. Sondern: Soßenrealismus.

Unsere erste Spur führt uns zu Murat vom Kiosk. Der weiß eigentlich alles. Vor allem, was er nicht sagen darf.

„Currysoße, sagste?“ sagt er und blättert nebenbei in einem Katalog für LED-beleuchtete Gartenzwerge.

„Weg“, sag ich.

„Und die war selbstgemacht, ne?“

„Natürlich. Geheimrezept.“

„Hat ein bisschen gerochen wie... Kindheit und Steuerhinterziehung.“

„Danke.“

Murat zuckt mit den Schultern. „Frag mal beim Brezel-Peter. Der hatte neulich so ’ne Soßenverkostung im Garten. Nur für Eingeweihte.“

Der Brezel-Peter wohnt am Ende der Schrebergartenkolonie, in der Parzelle mit der Hollywoodschaukel, die klingt wie eine alte Schiffstür. Er begrüßt uns mit einem leicht verschwitzten Oberhemd und der Frage, ob wir „auch wegen der Energie“ da seien. Das sagt er öfter. Meistens, wenn er Pilze getrocknet hat.

„Unsere Soße ist weg“, sag ich.

„Verständlich“, sagt er. „Sie war zu stark.“

„Was meinst du?“

„Sie hatte... Bewusstsein. Ich hab’s gesehen. Sie hat gezuckt, als ich sie verkostet hab. Danach hab ich zwei Stunden lang geglaubt, ich sei eine Schmorzwiebel.“

Der Hape sagt: „Künstlerisch interessant.“

Ich sag: „Beunruhigend.“

Er sagt: „Vielleicht ist sie nicht gestohlen worden. Vielleicht ist sie gegangen.“

Ich sag: „Bitte WAS?“

„Wenn du etwas oft genug rührst, entwickelt es einen eigenen Willen. Das ist altes Küchengut.“

Ich würde ihn auslachen, wenn ich nicht wüsste, dass der Brezel-Peter früher mal Molekularkoch war, bevor er sich für ein freies Leben mit Bionade und Gartenfeuer entschieden hat.

Jedenfalls ergibt eins das andere. Wir fragen rum. Hören von einem dubiosen Soßen-Symposium, das neuerdings in der Stadt stattfindet. Im Keller eines ehemaligen Asia-Supermarkts. Da trifft sich der Soßenuntergrund. Und dort entdecken wir etwas, das uns die Sprache verschlägt:

Ein Poster: „Erwecke deinen Umami – mit unserer neuen Lebensform!“

Und mittendrin: ein Foto von etwas, das aussieht wie unsere Soße. Nur... mit Augen.

Ich erspar euch die Details. Aber so viel sei gesagt: Wir haben sie gefunden. Sie lebt. Sie hat einen Namen: Umaxo. Und sie will keine Wurst mehr begleiten. Sie will Vorträge halten. Über Geschmack. Über Autonomie. Über das Recht, nicht mehr Dip zu sein.

Und wir?

Wir haben eine neue Soße gemacht. Die ist nicht so gut. Aber sie bleibt, wo sie ist.

Der Schorsch sagt: „Ich trau ihr trotzdem nicht.“

Und ich? Ich sag: Vielleicht ist das das wahre Geheimnis. Nicht, was in der Soße ist. Sondern, ob sie bei dir bleiben will.

Aber gut – ich bin ja auch nur der Hanswurst. Und ich ess, was der Autor mir hinstellt…

ENDE

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von ORF am 09.05.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hanswurst von Markscheid?




geschrieben von Hanswurst am 09.05.2025:

Nö. Bzw. kenne ich nicht. Der Hanswurst vom www.wurstzeitblog.de




geschrieben von ORF am 10.05.2025:
Kommentar gern gelesen.
Danke "hanswurst"

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