Veröffentlicht: 22.05.2025. Rubrik: Märchenhaftes
Regenbogenvogel
Es war einmal
ein König und eine Königin, die ihre Tochter verloren hatten, als sie sechzehn Jahre alt war.
Damals hatte ein böser Waldgeist, der sich als Berater des Königs tarnte und unauffällig im Königshaus lebte, die Prinzessin entführt
.
Um die Hoffnung nicht aufzugeben, planten der König und die Königin ein großes Fest zu Ehren der Prinzessin. Vielleicht, so dachten sie, hatte jemand von ihr gehört oder sie gar gesehen. Für dieses besondere Fest beauftragte der König seinen besten Jäger, ein äußerst seltenes Tier zu finden, den sagenumwobenen Regenbogenvogel.
Der Jäger ritt auf seinem weißen Schimmel los, ohne zu wissen, wo er dieses seltene Wesen finden könnte. Tief im Wald stieß er auf einen See, der von Nebel umhüllt war.
Ein seltsames Schaudern überkam ihn und er gab sein Pferd die Sporen, bis er an einer Lichtung Halt machte. Dort spannte er ein Netz zwischen die Äste und wartete so lange, bis er vor Müdigkeit einschlief.
Als ihn die ersten Sonnenstrahlen weckten, traute er seinen Augen kaum. Ein prächtiger, pfaugroßer Vogel, dessen Farben in Regenbogenfarben leuchteten, hatte sich in seinem Netz verfangen. Vorsichtig wickelte der Jäger den Vogel in ein Tuch und machte sich vor Einbruch der Dunkelheit auf den Weg zur Hütte.
Dort befreite er den Vogel aus dem Netz, band seine Füße zusammen und bettete ihn auf weiches Heu.
Während der Jäger bei seinem Pferd schlief, hörte er den Atem des Vogels und fühlte eine unerklärliche Verbundenheit zu ihm. Am nächsten Tag brachte er den Regenbogenvogel in den eigens für ihn vorgesehenen Käfig im Schloss.
Am Tag des Festes strömten viele Menschen herbei. Manche erzählten Geschichten über die Prinzessin, doch es stellte sich schnell heraus, dass es nur alte Erinnerungen waren.
Das Königspaar war enttäuscht, wollte aber die Hoffnung nicht aufgeben.
Die Hauptattraktion des Festes, der wunderschöne Regenbogenvogel, wurde dem staunenden Publikum vorgeführt. Alle waren begeistert.
Doch der böse Berater, der Waldgeist, erkannte den Vogel sofort. Am liebsten hätte er ihn mit Pfeil und Bogen getötet, doch es waren zu viele Zuschauer. Er beschloss, auf den richtigen Moment zu warten.
Als der Jäger den Regenbogenvogel nach der Vorführung zurück in den Käfig brachte, bemerkte er die traurigen Augen des Vogels, in denen Tränen standen. Plötzlich hörte er eine liebliche, weibliche Stimme, die zu ihm sprach: „Du musst mich zu dem See im tiefen Wald bringen. Nur dort kann der Zauber, den der böse Waldgeist über mich auferlegt hat, gebrochen werden.“
Der Jäger überlegte kurz und ersann einen Plan, um den Waldgeist loszuwerden. Er wusste, dass dieser eine Schwäche für seltene Tiere hatte. So erzählte er ihm am nächsten Morgen, dass hinter den fernen Bergen, bei den schwarzen Sümpfen, ein außergewöhnlicher Adler zu finden sei. Der Waldgeist, dem dieser Adler noch in seiner Sammlung fehlte, machte sich sofort mit dem Jäger auf den Weg.
In den Bergen angekommen, stiegen sie gemeinsam hinab in die Sümpfe. Dort, als der Waldgeist unvorsichtig war, nutzte der Jäger die Gelegenheit und stieß ihn hinunter. Der böse Waldgeist versank im Sumpf und wurde nie wieder gesehen.
Schnell ritt der Jäger zurück, befreite den Regenbogenvogel aus dem Käfig und setzte ihn behutsam vor sich auf sein Pferd. Gemeinsam ritten sie tief in den Wald bis zu dem Nebelsee.
Als der Vogel das Wasser berührte, löste sich der Nebel auf, und der Regenbogenvogel verwandelte sich vor seinen Augen zurück in die Prinzessin.
Vor Freude galoppierten die beiden zum Schloss zurück.
Vom Balkon des Schlosses aus erkannten der König und die Königin ihre Tochter und eilten voller Freude in den Garten. Dort umarmten sie sich überglücklich.
Der Jäger konnte seine Gefühle nicht länger verbergen und bat um die Hand der Prinzessin. Diese fiel ihm überglücklich um den Hals, und drei Tage später wurde eine prunkvolle Hochzeit gefeiert, bei der der Himmel in Regenbogenfarben erstrahlte.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch.
ENDE

