Veröffentlicht: 09.05.2025. Rubrik: Abenteuerliches
*Karnische Alpen - 2)In Bergnot
Am folgenden Tag überraschte uns unser Bergführer Hermann in der morgendlichen Augustfrühe damit, dass wir laut Wanderführer eine reine Gehzeit von elf Stunden zu bewältigen hatten, in drei Etappen, Pausen nicht mitgerechnet. Also nichts wie los. Anfangs liefen wir gemütlich wie immer, ich zupfte Heidelbeeren nebenher am Wegesrand. Wir kamen voran, jedoch nicht schnell genug. So verging der Tag, unsere Gruppe zog sich wieder auseinander. Hermann mit den beiden Sportstudentinnen, sowie mit zwei weiteren jungen Frauen aus der Gruppe, war schließlich wieder so weit voraus, dass wir vier letzten ganz allein auf uns gestellt waren.
Es wurde sieben Uhr dreißig abends, als wir die zweite Etappe hinter uns gebracht hatten. Ich wollte abbrechen, in der Hütte übernachten, denn ohne Wandergruppe wäre ich niemals um acht Uhr abends noch zu einer Dreistundentour aufgebrochen. Mir war klar, dass wir in die dunkle Nacht hineinkommen würden. Die anderen gaben mir recht, doch als es soweit war, machten sie sich doch daran, den nächsten Berg vor uns zu bezwingen. Ich weiß nicht, warum ich mitgezogen habe. Es ging jedenfalls schief.
Nach zwei Stunden Aufstieg holten wir in der Dämmerung das Pärchen vor uns ein, Christine hatte schlapp gemacht, kein Wunder, geschwächt vom Tag, wie wir waren. Langsam stolperten wir bergauf. Als wir oben angekommen sind, ist es ganz finster geworden. Wir waren in Bergnot geraten. Sitzen bleiben konnten wir nicht die ganze Nacht. Also langsam voran, eng zusammen gerückt. Wir hatten bloß zwei schwache Taschenlampen, eine vorn vor unserer seltsamen, nächtlichen Karawane, eine hinten. So ähnlich wie die Sieben Schwaben kamen wir mir vor, als wir versuchten Schritt für Schritt, einander jeweils am Vordermann festhaltend, den Weg, den schmalen, holperigen Pfad hinunter zu trippeln.
Aber wir hatten Glück. In der Hütte haben sie ja gewusst, dass wir noch unterwegs waren, hatten auf uns gewartet und zwei Mann, der Hüttenwirt und einer von der Bergwacht, sind uns mit starkem Licht entgegen gekommen, sodass wir den Bergweg auch im Dunkeln bewältigen konnten.
Ich war am Ende meiner Kräfte. Für sechs Stunden Gehzeit hatte ich mich angemeldet, wie konnten die Organisatoren uns nur doppelt so viel zumuten. Fix und fertig war ich, ließ meinen Frust raus, die Tränen tropften in die Erbsensuppe. Immerhin war es noch einmal gut gegangen.
Ab dem nächsten Tag erwarteten uns die versprochenen Tagesmärsche von nur fünf bis sechs Stunden und ich ließ mich überreden, an der Wanderwoche doch bis zum Schluss teilzunehmen, die dann wirklich schön war, ohne weitere enorme Beanspruchungen und auch ohne irgendeinen Schwierigkeitsgrad. Wie erfreulich!

