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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Tantalos (Tantalos).
Veröffentlicht: 29.06.2025. Rubrik: Fantastisches


Sören und die Modellbahn

Es war eigentlich ein schöner Anblick für Sören: Ein altmodischer dampfgetriebener Triebwagen der Bauart Kittel stand vor ihm. Es kam aber kein Dampf aus dem Schornstein! Warum war das so? Sören fand sich auf einer Modellbahn wieder, wie er sofort bemerkte. Neben ihm standen einige Plastikfiguren auf dem Bahnsteig eines schönen, ländlichen Bahnhofs; naturgemäß waren sie nicht so gesprächig.

Sören stieg in den Triebwagen ein und wartete ab, was passieren sollte. Er sah durch das Fenster hindurch den riesengroß erscheinenden Mann am Regler der Modellbahn. Dieser drehte an einem Bedienrad und schon setzte sich der Triebwagen in Bewegung. Aus der Zwergperspektive im Maßstab 1:87 (H0) hatte Sören noch nie eine Modellbahn erleben können. Die Modellhäuschen zogen am Fenster vorbei. Sie standen in sauber gestalteten Gärten. Spielende Kinder, Männer, Frauen, Postboten, Straßenarbeiter standen erstarrt in der Gegend herum.

Vor Sören schnurrte der Elektromotor munter vor sich hin. Insgesamt eine interessante Aussicht. Schließlich erreichte der Triebwagen einen größeren Bahnhof mit drei Durchgangsgleisen. „Alles aussteigen bitte. Der Zug endet hier!“, tönte es aus einem Miniaturlautsprecher. Die Anwendung eines Kleinlautsprechers fand Sören bemerkenswert. Mal sehen, wohin der Zug am Gleis gegenüber fuhr. Er bestand aus drei Personenwagen, sogenannten Silberlingen, gezogen von einer V-100-Diesellok. Solche Zugkombinationen kannte Sören nur aus Filmen der Siebzigerjahre. Da muss ich einsteigen!
„Vorsicht bitte an der Bahnsteigkante! Der Zug in Richtung Mucknitz an der Frunz und Dumpflmoos hat Abfahrt!“, klang die Stimme aus dem Lautsprecher. Das läuft hier ja reibungslos, anders als bei der Deutschen Bahn, dachte sich Sören. Los ging's! Durch eine schöne Landschaft mit Bergen und einem angedeuteten Flusslauf ging die Fahrt. Allerdings bemerkte Sören ein auf Halt stehendes altertümliches Formvorsignal und ahnte, dass der Zug gleich stoppen würde.

Richtig! Auf freier Strecke hielt der Zug an. Ein Blick aus dem Fenster zeigte folgendes Szenario: Ein Zelt war auf einer Wiese aufgebaut, daneben stand ein Polizist, die Arme in die Hüften gestützt. Aus dem Zelt lugten vier nackte menschliche Beine: zwei offenbar weibliche mit zwei männlichen Beinen dazwischen. Skandal! So etwas auf der Modellbahn!

Ein schrilles Geräusch unterbrach diese Gedanken. „Guten Morgen. Es ist jetzt 5 Uhr 35. Zeit zum Aufstehen!“, flötete eine sanfte Frauenstimme aus dem Radiowecker. Langsam kam Sören zu sich, allerdings etwas verwirrt. Aha, es war doch nur ein Traum, die Modellbahn! Wahrscheinlich war das eine Folge seines Abenteuers im Geldautomaten. Er stand noch etwas schlaftrunken auf, ging ins Bad und machte sich fertig.

Später verließ er das Haus und fuhr zur Arbeit. Seinen Traum hatte er vergessen. Am Vormittag ging er vom Büro in einer dienstlichen Angelegenheit zu Fuß eine Straße weiter. Auf dem Weg dahin kam er an einem Spielzeugladen vorbei und bemerkte die neu gestaltete Auslage. Diese traf ihn wie einen Hammer: Auf einer Modellbahnanlage drehte ein Triebwagen seine Kreise – genau von der Baureihe Kittel und genau wie im Traum! Mit offenem Mund blieb er stehen – er wusste später nicht mehr, wie lange er so da stand.

Sein klingelndes Telefon riss ihn aus seinem Tagtraum. „Wo bleiben Sie denn? Wir warten schon!“, tönte es aus dem Smartphone. „Ja, ja, Entschuldigung bitte, ich bin aufgehalten worden! Ich bin unterwegs.“ Raschen Schrittes eilte er zu seinem Termin, noch etwas durcheinander vom Gemisch aus Traum und Wirklichkeit.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 29.06.2025:

Lieber Tantalos,
das ist ja eine gute Idee, Sören in der Modellbahn mitfahren zu lassen. Zuerst dachte ich, Sören wäre selbst ein Playmobil-Männchen, dann war es im Traum.
Sehr unterhaltsam geschrieben, sehr gern gelesen.
LG Babuschka




geschrieben von Rautus Norvegicus am 30.06.2025:

Der Weg in die Realität ist nicht immer angenehm, aber wichtig. Denn sonst säße Sören noch immer im Geldautomaten! 😃

Gerne gelesen
🙂
Internette Grüße
Rautus Norvegicus

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