Veröffentlicht: 12.07.2025. Rubrik: Menschliches
Warmer Kaffee
Er war allein mit sich und seinen Gedanken, eine gefährliche Situation, könnte er doch auf die Idee kommen, etwas schreiben zu wollen. Noch zogen nur vereinzelte Bilder an ihm vorbei, die auch keinerlei Inspiration in sich trugen.
Völlig unbeachtet ließ er sie ziehen, wie so viele zuvor, und nahm lieber noch einen Schluck warmen Kaffee zu sich. Es war einfach nicht mehr nötig zu versuchen, nur jedes erdenkliche Bild, in dem ein Funken Potential schien, direkt aufzugreifen und zu versuchen, daraus eine Geschichte zu entwickeln.
Dafür hatte er einfach schon zu viel in seinem Leben geschrieben und war längst beim Wiederkäuen von Phrasen angelangt, die nur selten etwas schmackhaftes enthielten. Ob seine Zeit vorüber war? Das Feuer erloschen? Nein, er spürte es noch, wie es tief in ihm loderte, wenn im Augenblick auch nur auf Sparflamme.
Früher hätte ihn das nervös werden lassen, heute konnte er damit umgehen, wartete geduldig, bis sich das Feuer neu entfachte, wann immer das auch sein würde. Bis dahin, konnte er sich mit seinen unzähligen unvollendeten Fragmenten vergnügen oder bereits fertiges Textwerk nachbessern. Es gab schließlich keinen Text, an dem nicht noch etwas gefeilt, noch optimiert werden konnte.
Die Arbeit an der Sprache war etwas Beruhigendes und Erfüllendes und wenn es ihm gelang, einem Text mehr Reife zu verleihen, fand er Zufriedenheit darin. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden, ob er in seinem Leben mehr kalten oder warmen Kaffee getrunken hatte? Fragen, die ins Nichts führten und deshalb unbeantwortet blieben.
Eine dringendere Frage und die einzig wichtige, wann und vor allem womit, wollte er seine Leserschaft demnächst bedienen? War es schon wieder Zeit oder krankte er inzwischen an einer gewissen Überpräsenz, überforderte sein Publikum. Konnte das überhaupt geschehen? Sie hatten schließlich die Wahl, zwischen Lesen und Liegenlassen, so wie er die Wahl hatte, zwischen kaltem und warmem Kaffee.

