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geschrieben von Codec Diva.
Veröffentlicht: 24.09.2025. Rubrik: Fantastisches


Eichkatzilla

Am Zentralfriedhof im elften Wiener Gemeindebezirk bleichten Gebeine in der Sonne. Cracksüchtige Gyppokinder hatten die Gräber geöffnet, um Zahngold und Schmuck zu erbeuten. Vom einbeinigen Rauschgifthändler, an den sich Gringor von einer früheren "Safari" erinnerte, war nur noch das tätowierte Bein übrig, welches faulend von einem rostigen Laternenpfahl baumelte. Ein Stück Aas, das sogar den Geiern zuwider war. In der flimmernden Hitze herrschte unheimliche Stille. Hier verreckten sogar die Schmeißfliegen. Niemand war zu sehen.

Gringor, der Kopfgeldjäger, warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel seines Panzerwagens und griff hinter sich nach der Waffe. Er lud durch und öffnete langsam die Luke. Zeit für die Verhandlung.

Gringor drückte den Schalter des Drahtlosmikrofons. "Achtung, Achtung!" dröhnte er mit ruhiger Stimme aus dem Lautsprecher am Dach seines Fahrzeugs. "Ich komme... in Frieden! In Friiiieeden!"

Der Muskelprotz entblößte den Oberkörper, um seine Lebensversicherung zur Schau zu stellen: 10 Kilogramm reines Plutonit in Kevlar-Beuteln, gut sichtbar verkabelt mit einem gewaltigen Herzstecker. Dann stapfte er nach hinten, um die Weiße hervorzuholen.

An den Haaren zerrte er sie aus dem Laderaum. Ein hübsches Bündel Blondine in Handschellen, üppige Silikonimplantate, Plastikpenis ins Maul geschnallt. Er stieß sie in den heißen Staub und gab durch: "Die Weiße gehört euch, wenn ich Pako kriege." Eine Minute verging. Die kleine Nutte wand sich winselnd am Boden und versuchte, sich zu erheben. Gringor drückte ihr den Absatz seines Schlangenlederstiefels an den Hals. "Ganz ruhig", knurrte er. "Du wolltest doch Neger." Sie gehorchte.

Einen Augenblick später zerriss ein Schuss die Stille. Gringor zuckte zusammen und fuhr herum. Unter seinen Schlangenledersteifeln breitete sich langsam eine Blutpfütze aus. Für die Blondine war es vorbei. Ihre Äuglein mit dem auftätowierten Mascara hatten für immer geschlossen.

Vor den wuchtigen Kakteen des Friedhofs erhob sich die fette Gestalt des Schützen. Er trug einen Flachmann als Amulett um den Hals, das Sturmgewehr lässig im Anschlag.

"Mit Transen kannst du dich bei uns schleichen! Freundschaft, Genosse!" rief der struppige Mann und lachte Gringor aus. Es war Hubsi. Gringor kannte ihn von den Jungsozialisten. Gringor richtete die Waffe auf seinen langjährigen Freund und Rivalen.

"Sie war Post-Op, du Plusdepp!" beschallte der Kopfgeldjäger die Stätte der unerwarteten Begegnung. "Du schuldest mir Pako oder eine neue Pitschka."

"Wer zahlt für einen Pako?" lachte Hubsi. "Und wie viel?" Er trat vor das Kakteen-Ensemble.

"Geschäftsgeheimnis", rief Gringor.

"Oder machst du wieder das Gratis-Weh für deinen Spezi von der Türkenmafia?"

"Gusch."

Hubsi nahm einen kräftigen Schluck aus dem Flachmann und kam näher.

"Willst auch high werden? Ziemlich klasses Schädel!" 'Schädel' war die neue Superdroge, die vom Klan des früheren Wiener Polizeichefs verkauft wurde.

"Danke, ich häng am Leben."

"Tschapperl. Bleibt mir mehr." Hubsi labte sich noch einmal am Flachmann.

Sie blickten einander an.

"Aber was anderes." sagte Hubsi dann und kam näher. "Ich betreue jetzt Organspender. Bis sie sich nicht mehr rühren. Das zahlt sich aus, wenn man die Regiekosten unten hält." Hubsi nahm einen weitern Schluck und wischte sich über die unrasierte Fresse. "Pako weilt nicht mehr unter uns. Auch er hat gespendet. Eine Niere. An einen russischen B-Promi. Um den es auch nicht schad' war."

"Du lügst. Und jetzt gib her meine Entschädigung. Oder Pako!"

"Willst eine Leber?" fragte Hubsi jovial. "Oder zwei? Du könntest für mich arbeiten -- fiftyfifty..." Hubsi rieb Daumen und Zeigefinger aneinander und schnalzte mit der Zunge.

"WAS IST DAS???" kreischte Gringor, dass die Stimme aus dem Megafon schräkelte.

Knarrend und krachend zerbarsten hinter Hubsi die verdorrten Kastanienbäume. Unter Gringor begann die Erde zu beben, die auch den geschächteten Leib der Post-Life-Transe zum Zittern brachte. Hubsi fuhr herum, und dann sahen sie es. Ein turmhohes Mutanten-Eichkatzerl bahnte sich seinen Weg.

Hubsi bekreuzigte sich und fluchte über eine Ladehemmung. Mit der Majestät des Giganten erfassten pelzige Pranken die saftige Beute und führten den zeternden Ex-Juso zum Mund mit den prächtigen Schnurrhaaren.

Gringor schoss und schoss, aber Eichkatzilla war davon völlig unbeeindruckt. Meterlange Reißzähne senkten sich in Hubsis Fettwanst. Blut spritzte. Nach dem leckeren Happen flog der Rest auf den nahe gelegenen Misthaufen, wo ein Pfahl den Hubsi aufspießte, ein Pfahl mit dem verwitterten Schild "POKEMON GO-VERBOT IM GESAMTEN FRIEDHOFSBEREICH". Das Eichkatzerl rülpste und verdrehte kurz die Augen. Ob das Tier das Rauschgift aus Hubsis Körper schon spürte?

Gringor war zum Panzerwagen gestürzt. Luke dicht, Motor gestartet, aber schon fühlte er sich in die Luft gehoben. Das mutierte Nagetier hob das Fahrzeug mit beiden Händen über den Kopf und schmetterte es wie eine Kokosnuss zu Boden. Vor Gringor entfaltete sich der Airbag; dennoch beendete der Aufprall die irdische Existenz des Fahrzeugpiloten. Schlagartig stand das Herz still. Die Elektronik im implantierten Stecker löste aus und zündetete das Plutonit -- die postume Vergeltungswaffe des Kopfgeldjägers Gringor. 10 Kilogramm Plutonit explodierten. Mit sechzigfacher Schallgeschwindigkeit jagte eine ringförmige Plasmawolke über verseuchten Staub.

So wurde der Zentralfriedhof zur Endstation einer langjährigen Freundschaft und Rivalität. Der abgesprengte Kopf des armen Mutanten-Eichkatzerls landete im Arsenal - dort, wo die Exilregierungen aus mindestens drei europäischen Ländern ihre Heimat gefunden hatten.

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