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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Evelinya Lyriel (lys).
Veröffentlicht: 06.10.2025. Rubrik: Historisches


Das geflüsterte Versprechen Teil6

Dies ist der 6. Teil der Geschichte. Wer die ersten Teile noch nicht kennt, findet sie unter: Historisches - "Das geflüsterte Versprechen TeilX"

Kapitel 17
Spät am Abend lag Clara in ihrem Bett, von Schlaf war sie weit entfernt. Immer wieder kehrte ihr Geist zu dem Augenblick zurück, in dem sie Alexanders Einladung mit leiser Stimme und höflicher Zurückhaltung angenommen hatte. Ihr Herz pochte noch aufgeregt, als könne es die aufkommende Freude nicht bändigen. Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihre Wangen, die sich noch immer warm anfühlten – als trage sie das leise Erröten des Nachmittags mit hinein in die Nacht. Glück durchströmte sie, gepaart mit einer angenehmen Erwartung, wie sie sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Am meisten aber dachte sie an das Strahlen, das sie in Alexanders Gesicht gesehen hatte, als er ihre Zustimmung vernahm. Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie sich fragte, ob er wirklich geglaubt hatte, sie könne nein sagen – wo sie doch alles für ihn, mit ihm, tun würde. Ein kleiner, stolzer Funken glomm in ihrem Inneren auf bei dem Gedanken, dass sie für Alexander offenbar nicht so leicht zu durchschauen war. Mit dieser Gewissheit und einer sanften Aufregung fiel sie schließlich in einen leichten, von Träumen begleiteten Schlaf.
Am nächsten Morgen erwachte Clara mit dem ersten zarten Licht des Frühlings. Die Luft war noch frisch und kühl, durchzogen vom süßen Duft der blühenden Birken und dem leisen Zwitschern der Vögel, das sanft die Stille der Nacht vertrieb. Ein zarter Schleier von Sonnenschein legte sich über das Zimmer und ließ die Vorhänge sacht tanzen. Die Welt schien sanft zu erwachen, in einem noch unberührten Glanz, voller Versprechen und neuer Anfänge. Dieses Licht, diese stille Heiterkeit umfing auch Claras Herz, ließ es leichter schlagen und füllte sie mit einer stillen, frohen Erwartung.
Wie jeden Morgen bereitete Clara sich auf den Tag vor. Sie richtete sorgsam ihre Frisur, ließ die beiden vertrauten Strähnchen ins Gesicht fallen – und musste lächeln, als sie an Alexanders erstaunte Reaktion auf diesen kleinen Trick dachte.
Vor dem Spiegel verweilte sie einen Augenblick länger, doch heute war da neu eine zarte Unsicherheit: Was sollte sie anziehen? Ein kurzer Moment der Unsicherheit durchzog Clara, als ihr der Gedanke an ihre Kleidung bewusst wurde. Ihr bestes Kleid war ein schlichtes Baumwollkleid, makellos sauber und sorgfältig gepflegt, doch schlicht und ohne jeden Luxus. Es spiegelte das einfache Leben wider, das sie führte – nicht arm, aber auch weit entfernt von Reichtum und Prunk. Sie fragte sich, ob sie in diesem Kleid neben Alexander und Johanna, die beide so elegant und gediegen wirkten, fehl am Platz sein würde. Die Vorstellung, in einem der noblen Viertel zu spazieren, ließ sie unwillkürlich nervös werden, und eine leichte Panik stieg in ihr auf.
Doch schnell fand Clara Trost in dem Gedanken an Johanna. Sie wusste um Johannas sanfte, einfühlsame Art, mit der sie alles plante, um niemanden in Verlegenheit zu bringen. Johanna würde darauf achten, dass Clara sich angenommen und wertgeschätzt fühlte – in jeder Hinsicht gut aufgehoben. Dieses Bewusstsein ließ die Panik allmählich verblassen und öffnete sacht einen Raum, in dem sich eine wachsende Vorfreude ausbreiten konnte. Mit jedem Tag schien Claras Herz ein wenig heller zu schlagen, ihre Gefühle intensivierten sich stückweise wie ein sanft anschwellendes Lied. Die zarte Nervosität, die sie am Anfang kaum bemerkt hatte, wuchs harmonisch mit dem Glück in ihr, bis beide zu einer untrennbaren Melodie verschmolzen. Jeder Handgriff im Laden, jedes sorgsame Arrangieren der Blumen war erfüllt von dieser steigenden Erwartung, die ihr Inneres erhellte und den Raum um sie herum mit einem warmen, lebendigen Licht durchströmte. Die Veränderungen in Clara blieben nicht unbemerkt. Hier und da warf ihr ein Kunde einen vertrauten, freudigen Blick zu, als spürten auch sie den Wandel, der sich in ihr vollzog – eine stille Freude, die sich ganz natürlich in den Alltag ihres kleinen Ladens einfügte.
So breitete sich Claras neue Lebendigkeit langsam aus, getragen von einem stillen, aber kraftvollen Gefühl der Vorfreude, das den kommenden Tagen einen warmen Glanz verlieh – und den Weg für das Treffen mit Alexander und Johanna ebnete.

Kapitel 18
Der Tag versprach schön zu werden – der erste warme Frühlingstag des Jahres, der die Stadt in ein sanftes Licht tauchte und die Kälte der letzten Wochen vertrieb. Alexander fühlte, wie sich ein warmer Strom der Sehnsucht in ihm ausbreitete, ein leises Brennen, das ihm die Brust enger schnürte. Jeder Atemzug war erfüllt von stiller Erwartung, das Herz pochte schneller, als wüsste es um das bevorstehende Glück und zugleich um dessen zarte Zerbrechlichkeit. Seit Tagen hallten die Gedanken an Clara wie ein leises Lied in seinem Innern nach, das mal sanft, mal aufgewühlt durch seine Seele zog.
Die Ungeduld ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Er wanderte durch Räume und Gänge des Hauses, seine Schritte unruhig, das Auge suchend, den Moment ersehnend, an dem alles Wirklichkeit werden würde. Mit jeder Sekunde wuchs das Verlangen, ihr nahe zu sein, die Distanz zu überbrücken und ohne Worte das wachsende Band zwischen ihnen fühlen zu können.
Gleichzeitig mischte sich eine süße Beklommenheit unter das Verlangen. Was, wenn dieser erste Spaziergang nicht gelingen würde? Was, wenn die leisen Hoffnungen sich als Irrlicht entpuppten? Doch keine dieser Zweifel vermochte die Sehnsucht zu ersticken. Im Gegenteil – sie trieb ihn an, ließ ihn den Augenblick herbeisehnen, als sei er das Ziel einer langen Reise, in der sich alles erfüllen würde.
Gerade als er diese Gedanken noch in sich bewegte, erinnerte er sich daran, dass Johanna bereits dafür gesorgt hatte, dass seine Kleidung bereitlag – ein tadelloser Anzug, der seine Würde und zugleich seine feine Zurückhaltung unterstrich. Doch die Nervosität wuchs in ihm wie ein Feuerwerk der Gefühle. Er konnte nicht stillsitzen, wanderte unruhig durch das Haus, zwischen Vorfreude, Glück und ungeduldiger Erwartung hin und her gerissen.
Als seine Unruhe kaum noch zu ertragen war, wandte sich Johanna mit einem Schmunzeln an ihn:
„Könntest du mir wohl die neueste Ausgabe der ‚Wiener Salonblätter‘ besorgen?“
Alexander grinste amüsiert zurück:
„Ich weiß genau, dass du damit nur meine Ungeduld mildern willst.“
„Wenn du das sagst, dürfte es wohl gelingen,“ entgegnete sie schmunzelnd.
Endlich war der Moment gekommen. Die Kutsche wurde herbeigerufen, und mit einem letzten tiefen Atemzug stieg Alexander hinein. Das erste gemeinsame öffentliche Gehen – ein Schritt voller Bedeutung, der weit mehr bedeutete als nur einen Spaziergang an einem schönen Frühlingstag.
Die Pferde setzten sich langsam in Bewegung, und Alexander ließ die vertrauten Konturen der Stadt an sich vorbeiziehen. Bald hielt die Kutsche am Rande des kleinen Parks, an dem sie – wie schon an jenem Tag Anfang Herbst – aussteigen mussten.
Mit einem behutsamen Blick auf Johanna streckte er den Arm aus, half ihr aus der Kutsche und bereitete sich innerlich auf die bevorstehende Begegnung vor.
Sein Blick fiel auf den Rand des kleinen Parks. Das vertraute Bild weckte ein Déjà-vu in ihm, ein leises Echo der Erinnerung, das kurz aufgeflammt und wieder verklungen war. Damals hatte Johanna die Rolle der Anstandsdame erst übernehmen müssen, und die Wochen bis zu diesem Treffen waren von Unsicherheit, Sehnsucht und vorsichtiger Hoffnung geprägt gewesen. Doch heute, an diesem frischen Frühlingstag, lag in der Luft eine neue Zuversicht.
Obwohl die Umgebung und die Kutsche an denselben Ort wie damals erinnerten, war es kein einfaches Wiedersehen. Das Déjà-vu erinnerte Alexander vielmehr daran, wie viel sich verändert hatte – in ihnen und in ihren Gefühlen. Die zögernde Erwartung war einer leisen Gewissheit gewichen, das Band zwischen ihnen war gewachsen und stärker geworden.
Als sie den Park betraten, ging Johanna an seiner Seite, unmerklich seine Bewegung lenkend, ohne dass Alexander es bemerkte. Die Sonne schien warm durch das frische Grün der Bäume, die Vögel sangen ihre Lieder, und die leise Brise flüsterte durch die Blätter. Sie fanden bald einen ruhigen Platz, an dem eine schlichte Holzbank unter den Zweigen eines alten Baumes stand – ein Ort der Stille und des Herausnehmens aus der Welt.
„Bitte nimm hier Platz, Alexander“, sagte Johanna mit sanfter Stimme, während sie sich von ihm löste. „Ich hole Clara im Laden, sei unbesorgt. Es wird nicht lange dauern.“
Alexander nickte, eine Mischung aus Nervosität und Sehnsucht im Blick. Er ließ sich auf der Bank nieder, das Herz klopfte ihm schnell, doch der ruhige Park und der Schatten der Bäume schienen die Aufregung ein wenig zu mildern. Johanna schritt leise davon, und für einen Moment war er allein mit seinen Gedanken und der Nähe, die bald folgen sollte.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Hundsstern am 07.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Vielleicht passt dazu eine Passage, die mir [sinngemäss] aus Elena Fischers "Paradise Garden" in Erinnerung geblieben ist: "Wenn jetzt im Moment gar nichts passiert, bedeutet das nur, dass im nächsten absolut alles geschehen kann." H.




geschrieben von lys am 07.10.2025:

@Hundsstern

Lieber Hundsstern,

lass es mich so sagen, wie Clara es wohl tun würde:
Manchmal fühlt sich das, was außen wartet, noch wie ein ferner Traum an, ein Flüstern im Wind, das man kaum zu fassen wagt. Dieses „Draußen“ ist wie ein zartes Versprechen, das sich noch in den Schatten versteckt, und mitten darin pocht das Herz schneller – vor Spannung, aber auch vor einem Hauch Scheu.

Danke, dass du geduldig wartest. Denn manchmal braucht es genau diesen Moment des Schweigens, bevor die Geschichte endlich atmet und lebt.

Liebe Grüße
Lys




geschrieben von Hundsstern am 07.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Zufälle sind etwas für Menschen mit zu wenig Fantasie. Am Abend im ICE [von Schirach, "Der stille Freund", darin: "Eine Ansicht von Delft"] hier hängen geblieben...
"Was kommt noch?", fragte ich.
"Alles, was du dir vorstellen kannst", sagte sie.
"Wirklich, es kommt alles, was du dir wünschst".
Sie machte eine Pause. Dann sagte sie, leiser und zu sich selbst: "Es kommt nur immer zu spät". H.


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