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2xhab ich gern gelesen
geschrieben von Codec Diva.
Veröffentlicht: 18.10.2025. Rubrik: Unsortiert


Liebe Tante Mally, wie immer nüchtern | Teil 2

[Teil 1 hier: https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?p=1592402#1592402]


Dann nahm ich mein Fahrrad zu einem Besuch beim überraschten Freund Toni in unserem schwulen Orgienlokal, was ein Missverständnis klärte. Der gleichaltrige Freund Toni war eingeschnappt gewesen, weil er sich von mir behandelt fühlte wie "ein Stück Fleisch". Dabei war es nur ein Scherz gewesen, als ich ihm gesagt hatte, ich wäre nur an seinem Körper interessiert. Das sage ich praktisch jedem. Einmal habe ich es meiner Chefin in der Elektronikfirma mitgeteilt. Über die Äußerung regt sich sonst niemand auf. Ich liebe Improv, das heißt: Theater. Ich muss dazusagen: Mit Toni habe ich nie etwas gehabt außer einer Riesengaude. "Riesengaude" heißt in meiner Stadt: Saufen und Herumalbern, bis vor Lachen der Bauch weh tut oder die Sonne aufgeht. Je nachdem, was früher eintritt.

Ich kehrte nüchtern in das elektronische Tanzlokal NOIR zurück, weil meine schwarzlichtfarbene Eintrittskarte am Unterarm bis sechs Uhr früh gültig war und zehn Euro gekostet hatte.

Zur fortgeschrittenen Stunde im NOIR zeigte sich die heutige Jugend nicht mehr so brav und nüchtern wie nach Beginn der Veranstaltung. Auf Raucherterrasse B bewegten sich meine Tonic-ohne-allem-Flasche und ich durch eine ausgedehnte Wolke aus Marijuana-Aroma. An den Tischen kreisten die Joints. Viele rote Äuglein glänzten im Licht der Halbleiter-Scheinwerfer.

Auf der Bankmauer rund um die Terrasse saßen zwei schneidige Burschen in kurzen Hosen und hellen Hemden, so um die dreißig. Beide staunten gerade gern über die Sehenswürdigkeiten in Bäumen und Gesichtern, wiesen einander auf die spektulärsten Erscheinungen in den Kratzern am Tisch hin als wären sie im Lunapark. Diagnose: Narrische Schwammerl oder LSD.

Als ich die Toilette aufsuchte, kamen mir zwei Türken entgegen, von denen der eine etwas in den Papierkorb warf, das sich während der Betrachtung zum Zeitvertreib am Urinal als abgeschnittener Cocktail-Strohhalm erwies. Diagnose: Kokain, Speed oder Mephedron. Wird alles geschnupft.

Da auf Terrasse B keine Sessel frei waren, setzte ich mich auf einen der wenigen Sitzplätze auf der Mauerbank und drehte eine Zigarette. Ein Pärchen erschien und fragte mit freundlichen Minen nach dem Raum neben mir auf der Mauer. Ich gewährte und fing an zu rauchen.

Am übernächsten Tisch gab es zwei Surfer-artige Männer, die sich abwechselnd ein Sprühfläschchen zuerst ins eine und dann ins andere Nasenloch steckten. Diagnose: Keine Ahnung. Hingehen, aber es gab dort keinen Sitzplatz für mich. Ich rauche nicht gern im Stehen.

Das Pärchen, seit einer Zigarettenlänge neben mir, trank Bier und tratschte und lachte und wirkte vollkommen nüchtern. Die Dame vom Pärchen hatte sich zwischen mich und den Aschenbecher gesetzt. "Nicht erschrecken", sagte ich, als ich hinter ihrem Rücken mit der Zigarette nach dem Aschenbecher langte.

"Was?" Sehr fröhlich, die Frau.

"Ach so, mach nur", sagte sie, als sie verstand, "aber mir ist lieber der Aschenbecher bleibt da. Wir brauchen den Aschenbecher auch. Mach', was du willst hinter meinem Rücken."

Ja, mach, was du willst hinter meine Rücken, dann verklage ich dich am Montag. Ich begann mich zu fürchten, denn Damen sollte man im 21. Jahrhundert als Mann eher meiden. Sonst bekommt man es mit einer Staatsanwältin zu tun. Alleine für Blumenkaufen für die unbekannte Angebetete haben Männer jeden Alters sechs Monate bekommen in meiner Großstadt. Für einen kurzen Flirt im Büro fünf Jahre. Ich stand mit einem Bein in Haft.

Eine weitere Zigarette musste her, aber mein Tabak war verschwunden.

"Bitte steh' mal kurz auf", sagte ich zur Dame. "Ich will dir nicht unter den Rock greifen." Zehn Jahre. Irgendwo unter dem Saum war mein Tabak. "Du sitzt auf meinen Tschick."

Kicherkicher und aufgestanden und - voila - mein Tabak.

"Danke", sagte ich, "dass ich nicht ins Gefängnis muss wegen Sexualattentat."

Kicherkicher, weil ihr der Ernst für die Lage fehlte.

Ich wollte mich auf einen Sessel setzen für den Luxus einer Rückenlehne. Ich brauche eine Rückenlehne zum Rauchen. Und da erhob sich schon eine erschöpfte Runde von ihren Plätzen. Nichts wie hin.

Ich fiel erleichtert in meinen neuen Sessel und nahm Zigarettenpapier, Filter und Tabak auf den Schoß. Auf den übernächsten Sessel setzte sich eine Frau mit langen dunklen Haaren, die unter ihrem Jeans-Schlapphut hervorgequollen kamen. Die Dame trug sackartige Kleidung und Espandrilles und blickte vorgebeugt mit Flasche in beiden Händen auf die Mitmenschen auf der Terrasse, die sich für die neuen Sitzplätze seltsamerweise nicht interssierten.

Für die einsame Dame interessierte sich auch niemand, obwohl sie sehr jung wirkte, um die zwanzig, wenn überhaupt. Ins NOIR darf man erst ab achtzehn. Keine Ausnahmen. Vermutlich wollte keiner der anwesenden Männer in einem Gerichtsdrama auftreten. Ich war gespannt, mit welchen Mitmenschen ich es in Kürze auf den umstehenden freien Sesseln zu tun bekommen würde. Hoffentlich nur Männer. Und da waren sie auch schon.

Beide Männer waren um die dreißig; ein Dicker und ein Dünner, ein Blonder und ein Schwarzhaariger. Der Dicke trug eine weiße kurze Hosen und ein Hawaiihemd. Der Dünne war mit Jeans und mit einem orangefarbenen Netzlaibchen erschienen, darüber offen ein weißes Hemd. Bierflaschen. Hawaii und Netzi setzten sich ein Stück weg von mir in den Sesselkreis.

Die einsame Schlapphutträgerin starrte in meine Richtung. Ich bemerkte, dass von ihrem Katzengesicht und großen Mädchenaugen ein übernatürlicher Liebreiz ausging, zusammen mit engelsgleicher, hypnotischer Schönheit. Alles klar. Diagnose: Ecstasy. Nur Ecstasy hat diese besondere Wirkung: Verzaubert nicht nur den eigenen Geist und Körper, sondern auch jeden und jede, mit denen man es zu tun bekommt. Ecstasy ist das beste Kosmetikprodukt: Extremes Doping für Charisma, Ausstrahlung und Attraktivität. Die Wirkung ist nur paranormal zu erklären. Sogar Katzen beten Berauschte regelrecht an, mit samtiger, schnurrender Zuwendung. Deswegen haben sie Ecstasy verboten: Keine andere Droge hat diesen unheimlichen Effekt auf die Umgebung, die nichts nehmen muss, nicht einmal wissen, dass es Ecstasy überhaupt gibt. Im gegebenen Fall war dieses Umfeld ich. Zum Glück kannte ich mich aus. Für solche Kenntnisse waren meine begüterten alten Freunde eine große Hilfe. Begüterte Männer sind vor Anklagen durch Damen besonders gefährdet.

Als ich nach Fertigstellung der Zigarette wieder hinsah, drehte das gedopte Geschöpf ihren Sessel um ein, zwei Stunden in meine Richtung -- von ihren 12 Uhr aus gesehen. Sich als Mann geschmeichelt zu fühlen, ist in dieser Situation unangebracht. Ecstasy wirkt in beide Richtungen: Der Rausch erzeugt auch unverbrüchliches Mitgefühl für und Vertrautheit mit der gesamten Menschheit. Jegliche Form von Nähe, Zusammensein oder Intimität wird zum unwiderstehlichen Angebot -- alleine durch die übersteigerte Empfindsamkeit auf der Haut. Mit Ecstasy kann man andere Menschen so etwas wie schöntrinken, aber das Ergebnis ist wesentlich ausgeprägter als bei Alkohol. Es passierte in jenem Moment im Rausch der Schlapphutträgerin. Mit meinem Aussehen oder Charakter hatte die Zuwendung um zwei Stunden nichts zu tun. Ich war bloß zur falschen Zeit am falschen Ort. In der Kühle der Nacht trat mir der Angstschweiß auf die Stirn. Euer Ehren, die Anklägerin war schon vor der Begegnung vollkommen high. Wahrscheinlich hatte ich mich durch Hinschauen bereits in irgendeiner Form strafbar gemacht.

Ich stand ruckartig auf und setzte mich neben die zwei Männer, Hawaii und Netzi, die sich angeregt unterhielten. "Ich hoff', ich stör' nicht", sagte ich aufgeräumt und lehnte mich kurz an den Dicken. "Worüber redet ihr? Darf ich was helfen?"

"Wir reden übers Büro", sagte Hawaii. "Bei uns gibts eine Intrige und wir wollen was machen."

"Was machen?", fragte ich. "Mitmachen? Ich kann euch Tipps geben!" Das war frei erfunden. Zum Glück kann ich sprechen ohne zu denken. "Improv" kommt von "Improvisieren".

Die Schlapphutträgerin wechselte ihren Sitzplatz auf den Sessel genau gegenüber von mir. Ich wollte nicht unhöflich sein oder dem Mädchen den Rausch ruinieren, aber mir ging das zu weit. Und ich wollte nicht unhöflich sein und dem Hawaii und dem Netzi einfach verschwinden aus der Konversation, die ICH gerade angefangen hatte.

Ich stand auf und setzte mich neben den anderen Mann. "Was meinst du dazu? Mein Name ist Codec. Nett, euch kennen zu lernen, aber ich muss gleich gehen."

"Was hast du vor? Klo?"

Das war die perfekte Ausrede. "Genau. Dabei habe ich gar nicht so viel gesoffen, wie ich pinkeln muss, ha, ha, ha!"

Im selben Moment erschien jemand hinter mir. Noch ein überflüssiges Mädchen. Anscheinend kannte sie meine frischgebackenen Mitmenschen.

Sie war in den Zwanzigern und wirkte sehr elegant im schwarzen trägerlosen Minikleid. Gut kombiniert mit hohen Stahlarbeiterstiefeln mit Spangen. Hochgesteckte schwarze Haare mit lockigen Strähnchen im Gesicht, Kreolen. Kreolen waren wieder da? Auch aus dem Gesicht dieser Frau kam bildschöne künstliche Abstrahlung. Auch diese Frau wollte gerade die gesamte Menschheit in die Arme schließen. Und nach dem Rausch anklagen. Ach. Du. Schreck.

Die Dame setzte sich auf den Sessel neben mir und schmiegte ihre Flasche an die Wange. "Wo ist Baa-habs?" Sie lehnte sich vor mir vorbei zum Dünnen.

Mein Sitznachbar antwortete statt ihm. "Babs ist raus, kommt aber wieder." Er war mit der Anfertigung einer Marijuana-Zigarette beschäftigt.

Ich krallte hastig meine Rauchartikel zusammen und beugte mich leicht vor, um den Kram in meine Gesäßtaschen zu stopfen. Leider ging das Feuerzeug in die falsche -- die mit dem Loch. Das Feuerzeug fiel durch.

"Oh, bleib' ruhig sitzen", sagte die Frau und legte ihre Hand auf meinen Unterarm. Vor meinem geistigen Auge erschienen Gitterstäbe. Ecstasy gehört verboten -- ach so, haben sie ja schon...

Die Dame fasste nach meinem Arm und zeichnete mit der anderen Hand ganz langsam eine Linie auf der Haut. "Was hast du da?", hauchte sie und hielt mir ihre Augen als Herausforderung ins erschrockene Gesicht. Graue Katzenaugen. Pupillen so groß wie Suppenteller. Diagnose: Ging gerade los.

So belemmert wie möglich war meine Antwort. "Ich glaub', das ist eine Vene."

Ich stand noch einmal auf, um wieder auf die andere Seite der beiden Männer zu setzen. Zum Glück begnügte sich die Schlapphutträgerin damit, mich anzustarren, während einem eigentümlich-mineralenen "Bitte-hab-mich-lieb"-Ausdruck im Gesicht. Irgendein armer Teufel würde heute abend pickenbleiben und sich schnurstracks ins Gefängnis flirten - zehn Jahre - oder streicheln - fünfzehn Jahre - oder küssen - lebenslänglich - aber ganz sicher nicht ich. Meine begüterten alten Freunde waren mir eine große Hilfe -- als abschreckende Beispiele.

"Ich muss wieder rein zur Musik", erklärte ich meinem neuen alten Sitznachbarn und stand wieder auf.

"Was ist denn mit dir los?" fragte der neue alte Sitznachbar. "Bleib doch mal wo sitzen." Der andere befeuchtete das Zigarettenpapier. "Was hast du genommen? Meth? Ist noch was da?"

Das war die perfekte Ausrede. "Fast erraten: Unendliche Dichte auf Tina!", log ich. "Daher brauche ich wieder Musik."

"Alter, entspann dich erstmal mit uns....", sagte der Dicke und reichte mir die frische Marijuana-Zigarette vor die Nase.

"Wie nett!", trällerte ich. "Aber ich glaube, ich bin ausreichend fertig für heute. Ich geh' wieder zur Musik... viel Spaß noch... schönes Wochenende noch..."

"Mach dich nicht deppert... hier ist dein Feuerzeug..." Ich dankte Hawaii mit einem artigen Knicks und trat einen Schritt zurück.

Verabschiedung von der Frau nicht vergessen, sonst gab es womöglich Ärger. "Schönen Abend, empfehle mich, Ciaotschi!" Wackelhändchen und ab. Ab nach Hause.

Auf der Treppe betrachtete ich das einsame Antlitz unter dem Schlapphut und erblickte die unbezahlbare Majestät eines Moleküls mit dem technischen Namen Methylendioxy-N-methylamphetamin. Faszinierend, dass es ein Molekül mit so einem Zauber überhaupt geben konnte. Und DAS haben sie verboten. Und die Minne haben sie kriminalisiert. Minne ist das beste Improv. Scheiß-EU.

Am Weg zu meinem Fahrrad irgendwo neben dem Gebüsch kramte ich das Blinklicht aus der Hosentasche für die Schlüssel und Karten. Ich stapfte durch das Getümmel bei der Allee und fühlte mich sehr müde. Zwanzig Euro für einen überflüssigen Abend. Drei Uhr früh. Stundenlang Improv und präzise niemanden kennengelernt. Strafandrohungen haben alles ruiniert. Kann nur mir passieren.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Rautus Norvegicus am 18.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Dichterforum... da taumle ich wohl sehenden Auges in meine intellektuelle Überlastung rein. Ist aber interessant, ich bin ein neugieriger Mensch. Und außerdem kann ich ja nur daraus lernen. Vielleicht auch eher still. Und ziehe Inspirationen daraus.
🙂
Rautus Norvegicus

Ich hätte übrigens Ideen, was ich hinter ihrem Rücken machen würde😊




geschrieben von Codec Diva am 18.10.2025:

Du musst dich dort vor niemandem fürchten außer vor mir. Ich bin dort schon angeeckt. Ich bin nicht sicher, ob ich im Augenblick boykottiert werde oder ob meine Sachen niemandem gefallen. Die Kritiken, die ich geäußert habe, waren bis jetzt durchwegs positiv, aber manche Teilnehmer sind in sehr überraschender, manchmal mysteriöser, Weise empfindlich. Kein einziger hat Anstoß an meinen Kritiken genommen. Es ging um andere (heimtückische) Fettnäpfchen.

Dort kann man kaum etwas veröffentlichen, bloß über Schriftstellerei reden, vorwiegend Fantasy und Romance. Ich linke von dort auch hierher, jedoch vergebens, wenn ich dort geächtet bin oder sonstwie nicht ernst genommen werde.

Zwei Hausübungen von mir waren, nach der Einschaltquote beurteilt, ein (Überraschungs-) Erfolg, was ich noch nicht gut erklären kann. (Macht mich nervös. Ich habe NICHTS erzählt.)

Falls dich handwerkliche Belange interessieren, wärst du dort nicht schlecht aufgehoben. Die meisten wollen Fantasy- oder Romance-Romane veröffentlichen. Gute Sachen gibt es dort, aber die meisten guten Sachen sind nicht mein Genre.

Bin gespannt, ob wer meinen Links von dort hierher folgt.




geschrieben von Rautus Norvegicus am 19.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Dicke mit Cargo-Hosen... ganz schön schamlos geht's bei euch zu.




geschrieben von Codec Diva am 19.10.2025:

@ Rautus Norvegicus Dein Einwand wurde gehört. Beide trugen kurze schwarze Hosen und schwarze T-Shirts (Firmen-Uniform? Programmierer?) aber so konnte ich sie in der Geschichte beim Darüberreden nicht auseinanderhalten. DANKE! So ist es modischer. (Was ist mir da eingefallen??? Lieblosigkeit rächt sich in der Literatur. (: (: (: )




geschrieben von lys am 20.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Meine liebe Quasselmaschine,

ich finde deine Geschichte wirklich sehr gelungen! Leider bin ich im Moment zeitlich etwas eng eingespannt, sodass ich dir jetzt nichts Ausführlicheres schreiben kann. Aber ich hole das bald nach – und ich kann dir schon jetzt sagen, es wird nur Positives sein.

Liebe Grüße
dein Blumenmädchen
Lys




geschrieben von lys am 22.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Meine liebe Quasselmaschine,

schade, dass es hier keine privaten Nachrichten gibt – also bleibt mir nur ein jugendfreier Kommentar. 😉

Deine Geschichte hat mir auf so vielen Ebenen gefallen, dass ich ehrlich gesagt etwas überfordert bin.
Sie hat mir zwei schlaflose Nächte beschert, in denen ich überlegt habe, wie ich wohl antworten könnte – und jetzt sitze ich hier und weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll...

Ich versuche es mal mit den offensichtlichen Dingen aus der Geschichte:
Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass ein Mann Angst vor mir haben könnte – aus Sorge, ich könnte ihn verklagen, nur weil er mit mir flirtet. Das finde ich wirklich schade.
So ein kleiner Flirt kann doch beiden das Selbstbewusstsein stärken, finde ich. Solange es spielerisch bleibt, ist nichts Anstößiges daran.

Dieses Mal hast du die Wirkung der Drogen aus der Sicht eines Außenstehenden beschrieben. Das fand ich unglaublich faszinierend.
Wie ich dir schon einmal geschrieben habe: Ich habe keinerlei eigene Erfahrungen damit. Trotzdem hast du das so lebendig und intensiv geschildert, dass ich gar nicht richtig weiß, wie ich meine Gefühle dazu ausdrücken soll – irgendwo zwischen Neugier und Beklemmung.

Jetzt kommt der für mich schwierige Teil, weil meine Gefühle Karussell mit mir fahren.
Dir ist das so unglaublich gut gelungen, dass ich dich ganz offen bitten muss: Schreib bitte noch einmal so eine Geschichte!

Ich versuche zu erklären, was ich meine:
Kennst du diese Szenen in Liebesfilmen, in denen sich die Spannung ins Unermessliche steigert, weil die beiden Hauptdarsteller kurz davor sind, sich zum ersten Mal zu küssen? Man sitzt da, hält den Atem an und denkt nur: „Küss sie endlich!“
Genau dieser Moment, dieses „ganz kurz davor“, zieht sich für mich durch deine ganze Geschichte. Du gerätst immer wieder in Situationen, die kaum knisternder sein könnten – und du weißt es als Figur ganz genau, weil du dir die Strafandrohungen ständig ins Bewusstsein rufst.
Als Autor nutzt du das meisterhaft – mir fehlen da einfach die Worte.

Um ehrlich zu sein, sind das nicht einmal ein Prozent der Gefühle, die deine Geschichte in mir auslöst. In Gedanken durchlaufe ich sie immer wieder – mal aus deiner Sicht, mal aus der der Schlapphutträgerin oder der „Dame vom Pärchen“. Und jedes Mal entdecke ich etwas Neues.

Ich danke dir für diese Geschichte – sie hat mich wirklich tief berührt.
Solltest du irgendwann wieder etwas in dieser Art schreiben, freue ich mich riesig darauf, es lesen zu dürfen.
Du triffst bei mir mit deinen Worten etwas, das lange in mir nachhallt.

Liebe Grüße
dein Blumenmädchen




geschrieben von Rautus Norvegicus am 24.10.2025:
Kommentar gern gelesen.
Kicherkicher... öfter lesen lohnt😃




geschrieben von Codec Diva am 29.10.2025:

@ lys
Mein liebes Blumenmädchen,

tut mir leid, dass die Antwort so lange gedauert hat, aber ich bin so viel Liebenswürdigkeit und Wohlwollen wirklich nicht gewohnt und wusste zunächst nicht, was ich antworten soll. (Ich war fast nur auf Hass-Plattformen tätig, weil das so lustig ist.) Außerdem gab es mehrere Notfälle, nicht alle unangenehm.

Du schreibst:
"schade, dass es hier keine privaten Nachrichten gibt – also bleibt mir nur ein jugendfreier Kommentar. 😉 "
Ich habe meine E-mail-Adresse ins Profil gepostet, falls dich das interessiert.

Du schreibst: "Deine Geschichte hat mir auf so vielen Ebenen gefallen, dass ich ehrlich gesagt etwas überfordert bin."
Das mit der Überforderung kann ich zurückgeben.

"Sie hat mir zwei schlaflose Nächte beschert, in denen ich überlegt habe, wie ich wohl antworten könnte – und jetzt sitze ich hier und weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll..."

Ich wollte keine schlaflosen Nächte bescheren, tut mir leid. Ich habe wirklich geglaubt, dass die Geschichte (und die aus dem Orgienlokal) superlustig zum Lachen sind, aber das ist misslungen, wie ich bei der anderen Geschichte inzwischen selber feststellen kann.

"Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass ein Mann Angst vor mir haben könnte – aus Sorge, ich könnte ihn verklagen, nur weil er mit mir flirtet."

Das ist mit "metoo" in die Welt gekommen. Es gibt auch vollkommen unbegründete Verleumdungen, die eigenartigerweise nicht geahndet werden, obwohl ein Anklageprozess, in dem sich herausstellt, dass die Anklägerin gelogen hat, nicht nur ein Verbrechen gegen den Verleumdeten ist, sondern ein Verbrechen gegen die Republik. Mein Ex-Vermieter stand im Zeugenstand in so einem Verfahren, in dem der Richter sich zum Schluss über die Anklägerin ärgerte, für die die Verleumdung keine Konsequenzen hatte. "Der Rechtsweg ist ausgeschlossen", oder so scheint es.

"Das finde ich wirklich schade.
So ein kleiner Flirt kann doch beiden das Selbstbewusstsein stärken, finde ich. Solange es spielerisch bleibt, ist nichts Anstößiges daran."

Am Land habe ich oft während und nach Bewerbungsgesprächen mit Personalsekretärinnen geschäkert, weil ich am Land sehr wenig Ansprache hatte, auch mit Männern nicht. Angeklagt wurde ich nicht, obwohl ich teilweise sehr weit ging, aber die Damen am Land sind in Hinsicht Flirts weniger modern als die Stadtbewohnerinnen. Anfang Oktober war ich den ganzen Tag unterwegs und quatschte bei Gelegenheiten mehrere Frauen in verschiedenen Altersgruppen an, weil ein neues Buch mit Widmung unfehlbar funktionierte. Ganz konsequent bin ich also nicht in meiner Vorsicht, aber vielleicht wird mir das Lachen noch vergehen. Du hast recht: Flirten ist lustig und supererholsam, auch für Homos, obwohl das nicht alle gern machen.

"Dieses Mal hast du die Wirkung der Drogen aus der Sicht eines Außenstehenden beschrieben. Das fand ich unglaublich faszinierend."

Die Wirkung auf andere Leute gibt es meines Wissens nur bei Ecstasy, aber der Effekt wird von Mal zu Mal weniger ausgeprägt, geht aber nie ganz weg. Mir erzählte ein Fremder in einem Lokal, dass er auf "Eeh" einen Auffahrunfall verursacht hat, für die Fahrerin des anderen Autos viel Geld für die relativ geringen Schäden abgehoben hat, dann auf den Schreck etwas trinken gegangen ist mit ihr, sie dann mit nach Hause genommen hat, obwohl weder er noch sie sonst so schnell bei der Hand waren mit Bett, und sie schließlich geheiratet hat. Ich wies darauf hin, dass er vielleicht auf Eeh einen ungewöhnlich bezaubernden Eindruck auf das Unfallopfer gemacht hat, was er nach einiger Überlegung und Erörterung für plausibel hielt. Er meinte, dass sie vielleicht an jedem Hochzeitstag gemeinsam Eeh einwerfen sollten, aber ich glaube, das war bloß ein Scherz.

"Wie ich dir schon einmal geschrieben habe: Ich habe keinerlei eigene Erfahrungen damit."

Ich kann nicht wissen, was du vorhast, aber ich rate zur Vorsicht. Eeh hebt den Blutdruck, daher mit Herzkreislaufproblemen eher meiden. Du kannst dich in Gesellschaft zu Handlungen hinreißen lassen, die die nachher leid tun.

"Trotzdem hast du das so lebendig und intensiv geschildert, dass ich gar nicht richtig weiß, wie ich meine Gefühle dazu ausdrücken soll – irgendwo zwischen Neugier und Beklemmung."

Die Geschichte war ursprünglich für eine 77 Jahre alte Freundin, die mit elektronischer Musik oder Drogen nie etwas zu tun hatte und wissen wollte, wie ich schreibe. Meine Computer- und Computerpolitikartikel waren für die Freundin vollkommen unverständlich, daher musste etwas Neues her. Der Abend war damals erst ein paar Tage her und ideal, weil ich wegen pleite nüchtern und brav war und bloß vor der Herausforderung stand, alles so zu erklären, dass eine Außenseiterin gut verstand, was vorgegangen war. Das ist anscheinend gelungen, der 77 Jahre alten Freundin hat die Geschichte auch gut gefallen.

"Jetzt kommt der für mich schwierige Teil, weil meine Gefühle Karussell mit mir fahren.
Dir ist das so unglaublich gut gelungen, dass ich dich ganz offen bitten muss: Schreib bitte noch einmal so eine Geschichte!"

Das haut mich um. Ich würde an dieser Stelle zum wiederholten Mal am liebsten wieder eine Pause machen vor Verlegenheit. Die Geschichte ist ein echter Erlebnisaufsatz und die einzige Geschichte, in der sich die Ereignisse tatsächlich am selben Abend und sogar in der geschilderten Reihenfolge abgespielt haben. Insider würden nicht nur das Lokal, sondern sogar die beiden älteren Herren wiedererkennen. (Der Kleidmann war bei späteren Besuchen wieder zugegen und wieder sehr lustig im Umgang.) Ich hatte noch mehr Erlebnisse, aber die sind teilweise sehr lang her, mit eher unvollständigen Aufzeichnungen, aber ich habe für den Rest des Herbstes vor, wieder mehr unter die Leute zu gehen.

Aber hier ist eine verwandte Geschichte bei den Schriftstellern, die kaum angekommen ist. Die Geschichte hat sich so nicht zugetragen; es waren zwei Erlebnisse im Abstand von mehreren Jahren und zwei verschiedene Mittel. Die Farben, die Sorge, übers Ohr gehauen worden zu sein, die Kontrollen, die Haltung gegenüber Lieblichkeit und die Überlegungen sind real. Nicht real war damals, dass ich etwas inszeniere am Tisch. Das habe ich im September zum ersten Mal gemacht. (Der Rest der Erzählung, den es noch nirgends zu lesen gibt, entfernt sich immer weiter von der Wirklichkeit.) VON DIR GEKLAUT, MEIN BLUMENMÄDCHEN: "und in Codecs Magen zerbrach etwas in scharfe Scherben". Tut mir leid, hat mir sehr gut gefallen. Hier also...

PUPPEN: https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=84280&highlight=

"Ich versuche zu erklären, was ich meine:
Kennst du diese Szenen in Liebesfilmen, in denen sich die Spannung ins Unermessliche steigert, weil die beiden Hauptdarsteller kurz davor sind, sich zum ersten Mal zu küssen?"

Ja; zuletzt aus deinem geschätzten "Das geflüsterte Versprechen". Ich halte meine Unruhe und Ungeduld mit dem Liebespärchen für eine Folge meiner modernen Sicht auf die Anbahnung. Aus der modernen Sicht machen Clara und Alexander zu viele Umstände, weil in der Situation sehr schnell alles klar ist und bloß die Sitten des 19. Jahrhunderts verhindern, dass sich die beiden einander in die Arme und weiter nehmen. (Überhaupt gemessen an dem, was unter Männern üblich ist. Einfach mit den Schultern an die Wand drücken, an der Hand nehmen, ausgreifen, einfach was in den Mund nehmen, usw. Nach oben keine erkennbaren Altersgrenzen.) Die Situation der Spannung ist unter Männern in Männerlokalen ganz gut bekannt, kommt heute jedoch eher selten vor. Dann gibt es mehr oder weniger humorvolle Aufforderungen, endlich hinzugreifen, endlich miteinander zu verschwinden oder endlich etwas pornographisches vorzuführen, damit alle etwas davon haben. Vor zwanzig Jahren wurde mal die Wirtin gebeten, meinen Gesprächspartner und mich endlich des Lokals zu verweisen, weil der Funkenflug zwischen uns feuerpolizeilich verboten war und das Lokal gefährdete. (In Wienerischer Mundart besonders lustig.)

"Man sitzt da, hält den Atem an und denkt nur: 'Küss sie endlich!'".

Wie in "Das geflüsterte Versprechen" auf Seite vier oder so! Oder... man sitzt da, der andere Grauhaarige ist gerade aufs WC gegangen, dann kommt ein junger Mann und meint: "Du, ich glaub, du bist schon sehr weit bei dem. Er ist reif für Petting." Das war im letzten Advent, wenn ich mich richtig erinnere, und für die Gäste anscheinend besonders lustig mitanzusehen bei Vertretern von 50+. Wir haben uns über die hohen Mieten in Wien unterhalten, was mich nicht frivolisiert hat.

"Genau dieser Moment, dieses 'ganz kurz davor', zieht sich für mich durch deine ganze Geschichte. Du gerätst immer wieder in Situationen, die kaum knisternder sein könnten"

Das wollte ich, VIELEN DANK, aber ich hätte gedacht, dass die Situationen in erster Linie Humor sind, vor allem, wegen dem ungerührten und nüchternen Erzähler, der in der Schilderung keine Miene verzieht und nichts empfindet außer Furcht vor Anklagen. Die ungerührte Miene habe ich mir von Buster Keaton abgeguckt. Die Methode funktioniert bei "Pech im Spiel..." übrigens noch schlechter, wie ich inzwischen zugeben muss.

" – und du weißt es als Figur ganz genau, weil du dir die Strafandrohungen ständig ins Bewusstsein rufst."

Das war, wie gesagt, als Humor gedacht...

"Als Autor nutzt du das meisterhaft – mir fehlen da einfach die Worte."

Das höre ich natürlich gern, aber ich hätte wirklich gedacht, dass die Schilderung zum Totlachen ist, aber dafür veröffentliche ich ja: Stimmt, was ich von der Geschichte erwarte? Ich bin sehr dankbar für dein Urteil, weil es mich nachdenklich machen MUSS.

"Um ehrlich zu sein, sind das nicht einmal ein Prozent der Gefühle, die deine Geschichte in mir auslöst. In Gedanken durchlaufe ich sie immer wieder – mal aus deiner Sicht, mal aus der der Schlapphutträgerin oder der 'Dame vom Pärchen'. Und jedes Mal entdecke ich etwas Neues."

Vielen Dank; ich glaube nicht, dass jemand schon mal so begeistert oder intensiv gemacht hat wie du. Ich bin froh, dass ich mich bemühe, darauf vorbereitet zu sein, indem ich darauf achte, dass die Details so einer Prüfung standhalten. Ich mache das weiterhin so.

"Ich danke dir für diese Geschichte – sie hat mich wirklich tief berührt.
Solltest du irgendwann wieder etwas in dieser Art schreiben, freue ich mich riesig darauf, es lesen zu dürfen.
Du triffst bei mir mit deinen Worten etwas, das lange in mir nachhallt."

Nochmals vielen Dank für alles, fühle mich ermuntert. Ich kann auch viele gute Sachen über dein "Das geflüsterte Versprechen" sagen, in das ich mich über die letzten zwei Wochen zurückgezogen habe, um mich von Turbulenzen abzulenken. (Nicht alle unangenehm, aber trotzdem...) Neunten Teil muss ich erst, kommt voraussichtlich morgen. Jetzt ist es wieder halbwegs ruhig bei mir.

Ich schreibe noch mehr Antworten auf Kommentare. Es haben sich welche angesammelt. Bis bald!

Deine Quasselmaschine





geschrieben von lys am 30.10.2025:

Meine liebe Quasselmaschine,
entweder bin ich zu dumm, deine Mailadresse richtig zu lesen, oder da hat sich irgendwo ein kleiner Fehler eingeschlichen – jedenfalls funktioniert sie nicht.
Liebe Grüße
dein (leicht überfordertes) Blumenmädchen ;-)

Später am selben Tag: Ich lass das oben einfach stehen, damit du dich über mich amüsieren kannst :-)
Ich habe eine bessere Idee: Du schreibst mir an evelinya.lyriel bei gmail.com




geschrieben von lys am 10.11.2025:

Meine liebe Quasselmaschine,

entschuldige bitte, dass ich hier so lange nicht geantwortet habe!
Ich habe inzwischen auch den ersten Teil deiner Geschichte gelesen. Er gefällt mir richtig gut. Der Stil ist genauso schön wie im zweiten Teil. Teil 1 bildet eine tolle Einleitung und schafft schon eine wunderbare Stimmung, die du im zweiten Teil so gelungen weiterführst.

Die verlinkte Geschichte „PUPPEN“ fand ich übrigens sehr witzig! Gleichzeitig gibt sie auch einen kleinen Einblick in das Thema Ecstasy, das mich nach wie vor fasziniert. Besonders gelungen finde ich die doppelte Wahrnehmung und die spätere Auflösung mit den echten Zwillingen – wirklich lustig! :-)

Liebe Grüße
Dein Blumenmädchen

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