Veröffentlicht: 27.09.2025. Rubrik: Total Verrücktes
Pech im Spiel, Glück in der Liebe
Toni und ich sitzen an der Bar, rundherum schweigen deprimierte Staatsanwälte, Schauspieler und Unternehmer. Nicht jeder will, dass jemand weiß, dass er hier ist. Der Senior neben mir, wie Toni und ich mit grauen Haaren, blättert am Telefon durch Männerärsche. Im Männerorgienlokal ist die Flucht in die Online-Sexualvermittlung eine Verzweiflungstat. Das Verhalten beleidigt jeden, der daneben sitzt, namentlich mich. Vielleicht sollte ich den Mann ansprechen. Männerarsch habe ich auch.
Toni und ich unterhalten einander mit Anekdoten aus unserer jeweiligen schrecklichen Kindheit. Wir sind nur mäßig betrunken, aber die einzigen im Lokal, die sprechen und lachen. Der Mann neben mir hat einen Hintern angeklickt und studiert vermutlich die Annonce des Eigentümers. Ich bin verstimmt. "Habe ich dir schon erzählt, wie mich der Schulwart mit der Banane reingesteckt erwischt hat?", kichert Toni.
Dann hat jemand, namentlich ich, eine Idee. "Toni, mein Großer, gehen wir nach hinten." Hinten ist der Gang mit den Séparées und die Männer.
"Träum weiter", lacht Toni.
"Wer zuerst wen findet für Sex, hat gewonnen. Der Verlierer zahlt drei Wodka."
"Drei?"
"Einen für den Lieblingskellner."
"Ich habs viel leichter als du", schmunzelt Toni, der Schwängerer.
"Dafür bin ich fünf Jahre jünger", sage ich, die Fotze. Fotzen gibt es viel mehr als Schwängerer.
"Schlag ein", grinst Toni und hält mir die Hand hin. Ich schlage ein. Wir gleiten von den Hockern. Jetzt wird es spannend.
Hinten sitzen halbnackte Männer auf der langen Bank am Gang, alle jünger als Toni oder ich. Darauf hat jeder Schnuckel nur gewartet: Ein brünftiger und ein läufiger alter Mann. Ich bücke mich, um meine Armeestiefel aufzuschnüren. Ich will mich nackt ausziehen, damit die Männer sehen, dass ich es ernst meine. Neben mir ruft Toni jemandem zu: "Hey, Pitschka! Ich muss ficken! Du kommst mit und machst, was dir angeschafft wird!" Ich finde das wahnsinnig lustig und schmeiße die Vorstellung, weil ich nicht aufhören kann zu lachen.
Der Jüngling guckt Toni entsetzt an, aber der Mann neben ihm auf der Bank, ungefähr 40, steht mit leicht geängstigtem Gesicht auf.
Bevor ich den anderen Stiefel aufschnüren kann, ist Toni mit dem Freiwilligen im Séparée verschwunden. "Ich bin um drei Wodkas ärmer", berichte ich den verbleibenden Männern. Keiner hat dazu eine Meinung. Überhaupt nicht lustig. Nacktheit kann mich trösten, daher vollende ich das Vorhaben und kehre mit Gewand im Arm und Schuhen zwischen den Fingern an die Bar zurück. Barfuß ist per Erlass von den Stadtwerken in Lokalen verboten, wegen Scherben am Boden, aber so etwas kümmert hier niemanden. Auch Drogen sind verboten.
Nackt auf meinem Hocker bestelle ich den Wetteinsatz und hole Zehner aus der Tasche der Hose. Dann werfe ich die Hose zu den anderen Sachen vor mir auf die Fußablage. Der Lieblingskellner knallt drei Minigläser von den Fingern auf den Tresen. "Wo ist Toni?", fragt er.
"Ficken", berichte ich. "Wir müssen auf ihn warten. Er hat gewonnen."
"Was gewonnen?"
"Wer schneller jemanden findet."
Der ungefähr gleichaltrige Mann neben mir legt sein Telefon weg und blickt durch seine Brille schweigend auf meinen nackten Bauch. Hoffentlich bemerkt er meine ausgeprägten Lachmuskeln. Meine Figur und Haut wiegen teilweise mein Alter auf. Der Mann lehnt sich weit zurück; anscheinend, um über mein Hinterteil zu urteilen. Ich beobachte seine Miene. Der Lieblingskellner schenkt ein.
"Soll ich euch einander vorstellen?", fragt er, ohne den Blick von seiner Arbeit mit den Gläsern zu nehmen.
"Mir egal, wie der heißt", sage ich. "Mich interessiert, was er mit mir macht."
Der Mann blickt mir über den Rand seiner Brille in die Augen. "Bei mir im Auto?" Seine Stimme hat etwas Kleinlich-Bürokratisches.
Auto? "Das kostet fünf Euro", sage ich. Pause für einen Lacher. Während der Pause für einen Lacher holt der Mann die Geldtasche heraus und legt mir fünf Euro hin. Das ist...
Auch dem Lieblingskellner steht der Mund offen. Ich ergreife den Fünfer mit dem Vorsatz, ihn zu Hause einzurahmen und an die Wand zu hängen.
"Bist du gespült?", fragt mich der Bürokrat.
"Sonst wär ich nicht hier", antworte ich, jetzt noch ungläubiger. Was für ein Auto ist das? Ein Wohnmobil?
"Ich geh nur pissen, dann checken wir das, damit es keine Sauerei im Auto gibt", sagt mein Freier und hopst vom Hocker. Ganz ein Genauer.
"Alter, ich fass es nicht", haucht der Lieblingskellner, als der Mann verschwunden ist. "Du bist die älteste Bezahlfotze aller Zeiten! Glaubt doch keiner!"
"Besser geht es nicht", hauche ich zurück. "Der will jetzt was sehen für sein Geld."
Ich ziehe mich hastig an. "Erzähle Toni ganz langsam und in allen Details, was gerade passiert ist!"
Der Lieblingskellner lacht. "Mach ich, aber du hast Lokalverbot!"
"Warum?"
Er zeigt kichernd auf das Schild: STRICHER VERBOTEN NO PROSTITUTES. "Verpiss dich, Nutte."
"I love you", sage ich und kippe meinen Wodka. Bin im Dienst.

