Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2025 von Evelinya Lyriel (lys).
Veröffentlicht: 30.10.2025. Rubrik: Märchenhaftes


Prinzessin für eine Nacht

Die letzten Sonnenstrahlen des Nachmittags spielten auf dem alten Parkett des Herrenhauses, als Emma vorsichtig die Tür zum Ankleidezimmer öffnete. Seit Tagen lag sie krank drinnen, während ihre Herrschaften auf einer langen Reise weilten. Das große Haus schien ohne sie still und verlassen, nur das entfernte Rauschen der Stadt drang leise durch die Fenster.
Ein Hauch von Parfüm und edlen Stoffen lag in der Luft, Erinnerung an viele Feste, an deren Rand sie nur gedient hatte. Ihre Finger strichen unsicher über die weichen Kleiderbänder, und für einen Moment war ihr Herz schwer vor Unentschlossenheit.
Doch die stille Einladung, die auf ihrem kleinen Tisch lag, zog sie sanft in eine andere Welt: „Maskenball im Ballhaus – heute Abend.“ Der Gedanke an Musik, Lichter, tanzende, mit Masken verhüllte Menschen ließ ein zaghaftes Lächeln auf ihrem Gesicht aufblühen. In jener stillen Stunde, allein im Herrenhaus, schien die Möglichkeit wie ein heimlicher Traum. Emma zögerte, dann griff sie nach dem dunkelblauen Seidenkleid ihrer Herrin. Es war viel zu wertvoll, nicht für sie bestimmt – und doch. Mit behutsamen Bewegungen schlüpfte sie hinein, die fremde Seide schmiegte sich an ihre Haut und verlieh ihr das Gefühl, auf andere Weise zu existieren.
Der Mantel – schlicht und unauffällig – versteckte den Glanz des Kleides, als Emma vorsichtig aus dem Schatten der großen Halle trat. Draußen atmete die Stadt in wechselndem Licht, die Stimmen der Passanten mischten sich mit den fernen Klängen der Kutschen auf dem Pflaster. Jede Bewegung hatte ihre eigene Melodie, und Emma nahm sie auf, Schritt für Schritt, bis sie wie im Takt mit ihrem Herzschlag ging.
Sie folgte der Einladung, begleitet von der leisen Hoffnung, nicht bemerkt zu werden, als sie durch die schmalen Gassen der Stadt wanderte. Mit jedem Schritt erwachte eine neue Sehnsucht: nach Tanz, nach Berührung, nach Farben, Masken und Geschichten, die ihr Alltag nie zugelassen hatte.
Vor ihr erhob sich das Ballhaus, hell erleuchtet und voller Stimmen, deren Echo sich in die Nacht mischte. Die hohen Fenster warfen einen warmen Glanz auf das Pflaster vor dem Eingang, der die Schatten der Welt dahinter fast vergessen ließ. Für einen Moment stand Emma still – der Mantel noch fest geschlossen um ihr Kleid, das Herz voll innerem Zittern – und blickte auf die Türen, hinter denen die Musik bereits erklang.
Als sie schließlich durch den Eingang trat, umfing sie der süße Duft von frischen Blüten und warmem Kerzenlicht, und die leisen Töne des Orchesters begrüßten sie wie ein Versprechen. Emma wusste: Alles war möglich, solange diese Nacht andauerte.

Emma stand am Rand des prachtvollen Ballsaals, das kostbare Kleid schmiegte sich kühl an ihre Haut. Vorsichtig hob sie die zarte Maske an, die ihr Gesicht halb verbarg, und spürte, wie die fremde Rolle ihr eine Art Mut schenkte.
Gerade in diesem Moment trat ein Diener zu ihr und reichte ihr eine kleine, kunstvoll verzierte Tanzkarte. Ihre Finger glitten leicht über das zarte Papier, das an diesem Abend ihre gemeinsamen Tänze verzeichnen sollte.
Da fiel ihr Blick auf einen jungen Mann, der in ihrer Nähe stand. Unter seinem dunklen Jackett blitzte die Weste in tiefem Burgunderrot auf, funkelnd im flackernden Kerzenschein. Ihre Augen trafen sich, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen — voller stiller Bewunderung und unerwarteter Zuneigung, die Emma tief berührte. Ihr Herz schlug schneller, gefangen in diesem Blick, der mehr versprach, als Worte sagen konnten.
Noch bevor die Musik ihren ersten Ton gespielt hatte, herrschte zwischen ihnen eine stille Spannung – ein unausgesprochenes Versprechen, ganz für sich allein.
Bald trat ein anderer junger Mann an sie heran und fragte höflich: „Darf ich mich auf Ihrer Tanzkarte eintragen?“ Emma nickte leicht lächelnd, doch innerlich spürte sie eine leichte Enttäuschung – es war nicht der Mann mit der Burgunderweste. Unauffällig suchten ihre Blicke weiter den Saal ab, voller Hoffnung.
Immer wieder traten Herren an sie heran, baten um Eintragungen. Die Seiten ihrer Tanzkarte füllten sich allmählich, doch das eine Lächeln, der eine Blick fehlten ihr noch. Das Spiel aus Sehnsucht und Erwartung erfüllte die Luft, während der erste Ton der Musik noch auf sich warten ließ.
Emma fühlte, wie sich ihr Herz weiter öffnete – bereit für das, was diese Nacht noch bringen würde.

Der Eröffnungstanz begann, das Orchester setzte die ersten Takte an, und der Ballsaal füllte sich mit anmutigen Bewegungen. Doch Emma spürte eine wachsende Leere in sich – ihr unbekannter Freund, der junge Mann mit der Burgunderweste, hatte sich noch immer nicht gezeigt. Die Enttäuschung legte sich schwer auf ihre Schultern, doch gleichzeitig pochte ihr Herz mit Vorfreude auf die kommenden Tänze, die noch vor ihr lagen.
Das Ende des Eröffnungstanzes kündigte sich an, und Emma hielt ihre Tanzkarte fest umklammert, erwartungsvoll auf den ersten Eintrag wartend. Doch zu ihrer größten Überraschung erschien ihr geheimnisvoller Fremder plötzlich neben ihr. Ohne Zögern, ohne Widerspruch von Seiten der Gesellschaft, forderte er sie zum Tanz auf.
Kurzzeitig überkam Emma Verwirrung – wie konnte er sich so frech über die Gesellschaftsetikette hinwegsetzen, ohne dass jemand Einwände erhob? Doch diese Verwirrung verflog rasch, als er sie sanft in seine Arme nahm, bereit für ihren ersten Tanz.
In diesem Augenblick vergaß Emma alles um sich herum. Ihre Welt schrumpfte auf den einen Blick in seinen tiefgründigen Augen, und ein Gefühl von Leichtigkeit und Schwebendsein durchströmte sie. Er führte sie mit solcher Sicherheit und Anmut, dass sie sich wie auf Wolken fühlte.
Als der Tanz endete, war Emma glücklicher als je zuvor. Und als sie zu ihm aufsah, entdeckte sie das gleiche Glück in seinen Augen. Er führte sie nicht zurück zu ihrem Platz, und plötzlich wurde ihr klar: Nicht nur dieser Tanz, sondern auch alle folgenden würden ihm gehören.
Die Kraft, sich so kühn über die gesellschaftlichen Normen hinwegzusetzen, beeindruckte sie tief – doch letztlich war ihr das egal. Hauptsache, sie tanzten zusammen.

Schon seit einiger Zeit tanzten Emma und ihr geheimnisvoller Fremder miteinander. Die Welt um sie herum schien zu verschwimmen, als sie sich im Rhythmus der Musik wiegten. Plötzlich spürte Emma einen Druck am Rocksaum – beinahe unbemerkt hatte jemand wohl unbeabsichtigt auf ihr Kleid getreten. Ein scharfer Riss zog sich in der feinen Seide am unteren Ende des Rockteils entlang.
Verunsichert musste sie den Tanz abbrechen. In ihrem Inneren brach eine kleine Welt zusammen. Wie sollte sie diesen Schaden vor ihrer Herrin verbergen? Die Vorstellung, dass diese den Riss entdecken und sofort wissen würde, dass Emma das Kleid ohne Erlaubnis an sich genommen hatte, ließ sie verzweifeln. Die Angst vor dem Verlust ihrer Anstellung schnürte ihr die Kehle zu, und heiße Tränen liefen über ihre Wangen.
Fluchtartig verließ sie den Tanzsaal, suchte einen weniger belebten Raum auf, um die Tränen zu verbergen. Doch kaum hatte sie sich gesetzt, spürte sie eine vertraute Präsenz: Ihr unbekannter Freund hatte sie gefunden. Sanft legte er eine Hand auf ihren Rücken und versuchte sie zu trösten.
In leiser Stimme erzählte Emma ihm von ihrem Missgeschick, von der Angst vor der strengen Herrin und dem drohenden Verlust ihrer Stellung.

Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, als Emmas erzählte, was in ihrem Herzen lag – die Angst, die Verzweiflung, das zerbrochene Kleid. Dann senkte er den Blick, und seine Stimme wurde leise, getragen von einer tiefen Wärme: „Deine Herrschaften sind auf meine inständige Bitte hin verreist. Die Einladung zu diesem Ball war mein Werk. Ich wusste, dass dein Herz nicht widerstehen würde.“
Emma verharrte, gebannt von diesem Geständnis, als stürbe die Zeit für einen Moment. Sein Blick schien die Unendlichkeit zu bergen, und sie spürte, wie in ihrer Brust ein zärtliches Feuer entfacht wurde.
„Ich habe dich von dem Augenblick an gesehen“, fuhr er fort, „als ich zu Gast bei deinen Herrschaften war. Seit jenem Augenblick bist du ein unauslöschliches Bild in meiner Seele.“ Seine Augen leuchteten voller Sehnsucht, und in diesem Blick lag die ganze Unendlichkeit einer Liebe, die weder Zeit noch Stand je zu beengen vermochte.
In diesem Augenblick wurde Emmas Herz weit und leicht. Sie spürte, wie all die Schranken, die die Welt ihr auferlegt hatte, zu zerbrechen begannen. Vor ihr stand ein Mann, der ihr die Freiheit bot, die sie sich insgeheim ersehnt hatte – eine Liebe, so stark und wahr, dass sie alles überwand.
Und so verblieben sie in diesem magischen Moment, zwei Seelen verbunden durch das ungesprochene Versprechen, gemeinsam den Tanz ihres Lebens weiterzugehen – unter dem Sternenzelt der Sehnsucht.

counter1xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

Mehr von Evelinya Lyriel (lys):

Das geflüsterte Versprechen Teil10
Das geflüsterte Versprechen Teil9
Mein erstes Mal
Eine gute Partie
Der Ball