geschrieben 1988 von Rautus Norvegicus (Rautus Norvegicus).
Veröffentlicht: 14.11.2025. Rubrik: Grusel und Horror
Der Eingang zur Hölle - Grusel, Abenteuer
Zweite, überarbeitete und erweiterte Fassung
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Zu den schönsten Erinnerungen meiner Jugendzeit gehören zweifellos die Bergwanderungen, die ich gemeinsam mit meinem zwei Jahre älteren Cousin im Riesengebirge unternommen habe. Dessen Großvater war nach dem Zweiten Weltkrieg in Oberschlesien geblieben, während mein Opa in die amerikanisch besetzte Zone Deutschlands gelangen konnte und dort im Ruhrgebiet ein kleines Handwerksunternehmen gründete. Der Vater meines Cousins, der Fritz hieß, bewirtschaftete im heutigen Polen ein Landgut und ich verbrachte regelmäßig meine Ferien bei ihm.
So auch im Sommer neunzehnhunderteinundachtzig. Es hätte ein herrlicher, warmer Sommer werden sollen. Doch meine Haare zeugen davon, dass damals etwas Ungeheuerliches passiert sein muss. Meine Haare sind seit jenem Urlaub schneeweiß. Ich zählte zu diesem Zeitpunkt gerade mal sechzehn
Jahre!
Gerade begann draußen der Tag zu erwachen; die Grillen fingen an zu zirpen und die Vögel begrüßten laut tirilierend die Sonne, die vorsichtig hinter den Wipfeln des Riesengebirges hervorlugte und schüchtern ihre ersten warmen Strahlen sandte, die in minutenschnelle den zähen
Bodennebel vertrieben. Ich puhlte mir ein paar Krümel Schlafsand aus den Augen, reckte und streckte meine Knochen und begab mich zu dem Waschbecken in die Ecke des Raumes. Nachdem ich meine Morgentoilette beendet hatte, ging ich nach unten, in die große Wohnküche.
Fritz saß auf einer langen Bank am Tisch und kaute hingebungsvoll mit vollen Backen. „Na endlich“, murmelte er mit vollem Mund zum Gruß. Ohne dass er hinsah, griff er mit seiner rechten Hand zielsicher nach der großen Kaffeetasse, mit der linken verscheuchte er energisch ein paar Katzen, die zusammengerollt neben ihm auf der Sitzbank dösten. „Onkel Dieter will heute mit uns in die
Sudeten, auf die Schneekoppe. Dort oben soll es ein sehr gutes Restaurant geben. Und wenn die Sicht gut ist, kannst du bis nach Deutschland gucken!“ „Alles klar,“ sagte ich in freudiger Erwartung, dann frühstückten wir zu Ende.
Ich war ein wenig verwundert, welche riesigen Mengen frisches, polnisches Brot, natürlich selbst gebacken von meiner Tante Susi, in mich hineinpassten! Aber das war nur zu verständlich, allein die Luftveränderung, aus dem Ruhrgebiet hierher aufs Land, machte einen wahnsinnigen Appetit.
Gerade hatte ich den letzten Bissen hinunter geschluckt,
da wurde die Tür auf gestoßen. Ein stattlicher Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der mit seinen breiten Schultern den Türrahmen fast auseinander zu drücken schien, sagte knapp: „Ich bin dann soweit. Wollen wir aufbrechen?“ Gleichzeitig nickte er zum Gruß mit seinem Kopf. Es war mein Onkel Dieter. An seine knappe, schroffe Art hatte ich mich damals, als wir uns kennen lernten, nur
schwer gewöhnen können. Doch unter seiner harten Schale steckte ein weicher, fast sentimentaler Kern, der oft zum Ausdruck kam, wenn eines seiner Tiere erkrankt war.
Einmal war ich in sein Arbeitszimmer eingetreten, zu dieser Zeit war gerade eine seiner Kühe beim kalben gestorben. Er hatte in seinem schweren Ledersessel gesessen und lautlos mit zuckenden Schultern geweint. Ich war wieder hinaus gegangen und hatte die Tür ganz leise hinter mir geschlossen. Seit diesem Tag
erfüllte mich eine tiefe Zuneigung zu ihm. „Wir kommen schon,“ antwortete Fritz in meine Gedanken herein.
Wir fuhren in einem Fiat Polski 125 etwa eineinhalb Stunden, dann hatten wir das
Riesengebirge erreicht, wo der Sage nach der Riese Rübezahl sein Zuhause hat. Auf der Fahrt wurde nicht gesprochen, ich genoss still den Anblick der Landschaft. Langsam machte der steile Anstieg dem schwachen Motor des Fiat zu schaffen. Mein Onkel fuhr permanent im zweiten Gang, um die Steigung zu bewältigen. Plötzlich bremste er abrupt. „Curva!“, fluchte er auf polnisch. Eine umgestürzte Fichte versperrte die Straße.
Mein Herz sank. „Müssen wir jetzt umkehren?“, fragte ich enttäuscht. „Nein, nein.“ Mein Onkel hatte den Wagen auf einem schmalen Seitenweg in den
dichten Wald gesteuert. „Ich kenne noch einen Schleichweg durch den Wald . Das dauert zwar ein bisschen länger, aber wir kommen wenigstens zum Ziel. Haltet euch fest, der Weg ist nicht gut!“. Das Auto quälte sich Meter für Meter die holprige Strecke entlang.
„Es ist aber ganz gehörig finster geworden. Sind die Baumwipfel so dicht?“, wandte ich mich an Onkel Dieter. „Nein, der Himmel hat sich bezogen“, erklärte er mir. „Hoffentlich fängt es jetzt nicht auch noch an zu regnen. Einen Erdrutsch können wir am allerwenigsten gebrauchen!“ Kaum hatte er zu Ende geredet, rutschte das Auto plötzlich seitwärts. Es krachte laut, Glas splitterte und der Motor verstummte. Wir waren
seitlich gegen einen Baum gerutscht!
Sofort erfüllte penetranter Benzingestank den Innenraum. „Los, raus hier!“, die Stimme meines Onkels war noch immer bestimmt und ruhig. 'Er weiß, dass
das Auto jeden Augenblick in die Luft fliegen kann, aber er will wohl keine Panik aufkommen lassen“, dachte ich. Fritz hatte an seiner Seite die Tür auf gedrückt, auch mein Onkel versuchte, seine zu öffnen. Meine war völlig verzogen und klemmte hoffnungslos, deshalb rutschte ich ebenfalls durch die Türöffnung an Fritz' Seite ins Freie und landete auf ihm.
Unwillig, aus einem Reflex heraus, stieß er mich weg. In diesem Augenblick explodierte das Auto! „Vater!“, schrie Fritz
und versuchte, auf das Auto zu zukriechen. Die enorme Hitze jedoch hielt ihn auf. Fast, als wollte der Himmel einen Löschversuch unternehmen, begann es wie aus Kübeln zu gießen. „Komm, Fritz,
wir müssen uns irgendwo unterstellen!“, schrie ich meinen Freund an , der wie paralysiert auf das Feuer starrte. In dem lodernden Fahrzeug begann die Hitze des Feuers langsam den Körper seines
Vaters auszutrocknen, der sich daraufhin hinter dem Steuer aufrichtete, als wollte er den Flammen entkommen.
Halb stoßend, halb tragend, beförderte ich Fritz tiefer in den Wald hinein. Wie durch
ein Wunder waren wir bei dem Unfall und der anschließenden Explosion nicht verletzt worden. Als es zu regnen begonnen hatte, war es gleichzeitig schneidend kalt geworden. Ich klapperte mit den Zähnen, wie eine Klapperschlange mit dem Schwanz. „Da, Höhle“, stammelte Fritz lahm und fuchtelte mit seinem steifen Arm vor meinem Kopf herum. Um ihn wieder zur Vernunft zu bringen, wollte ich ihm mit der flachen Hand ins Gesicht schlagen.
Doch da ging mir auf, dass er vernünftig
genug gewesen war, nach einem Unterschlupf für uns zu suchen, während ich nur blindlinks hinter ihm her in den Wald gestolpert war! Er drehte meinen Kopf unsanft am Ohr, damit ich in die Richtung der Höhle schaute. Als ich sie erspäht hatte, änderte ich meine Richtung und wankte darauf zu.
Der Eingang der Höhle war keine achtzig Zentimeter breit, dafür aber bestimmt drei Meter hoch. Es war eigentlich mehr ein Riss in dem felsigen Bergmassiv. „Mensch, da haben wir ja Glück im Unglück!“. Fritz tat das einzig Vernünftige in dieser Situation. Er verdrängte den furchtbaren Tod seines Vaters und dachte an sein, an unser eigenes Leben! „Ja“, sagte ich, „versuchen wir mal, ein kleines Feuerchen zu machen, sonst frieren wir hier drin fest!“.
Ich fand meine Idee gut und hielt
schon ein Einwegfeuerzeug in der Hand. „Und was willst du verbrennen, ein paar Felsbrocken?“. Fritz deutete spöttisch in die Runde. Verdammt, da war natürlich echt nichts Brennbares, nur Felsen und
Steine. Aber diesen Seitenhieb konnte ich nicht auf mir sitzen lassen! „Die brennen bestimmt nicht so gut, ich hab gedacht, du verbrennst deine Hose“. Aber diesen lahmen verbalen Konterversuch hörte er schon nicht mehr, sondern war weiter in die Höhle vorgedrungen.
„He, komm doch mal her, hier ist es schön warm!“. Seine Stimme klang gedämpft an mein Ohr. Es war mir unheimlich, so alleine in der Dunkelheit, also machte ich mich auf den Weg in Richtung seiner Stimme. Ich ging über den glatten Steinboden und umrundete einen Felsvorsprung, als Fritz etwas rief. Kaum war ich um die Felsnase gebogen, da bekam ich einen starken Stoß gegen die Stirn. Vor meinen Augen wallten rote Nebel auf, vor denen Sterne tanzten. „Hast du was gesagt?“, murmelte ich halb betäubt.
„Ich rief, stoß dir nicht den Kopf, da hängt ein Stalaktit mitten im Weg rum. Aber das hast du ja wohl schon gemerkt, nicht wahr?“. Ein schwaches Lächeln zeichnete sich im Halbdunkel der Grotte auf seinem Gesicht ab. „Ja, Fritz, danke für die Warnung! Aber hier ist es wirklich schön warm, lass uns weiter gehen! Und wir gingen weiter in die Höhle. Es war stockdunkel, trotzdem war
ausreichend Licht da, um diese gefährlichen Spalten im Boden zu erahnen. Dann machte ich eine
Entdeckung, die mir glatt den Atem verschlug!
„Du, Fritz!“, ich hielt ihn am Jackenzipfel fest. „Hm?“, er drehte seinen Kopf fragend in meine Richtung. „Fritz, weißt du, woher dieses diffuse Licht kommt“, fragte ich mit tonloser Stimme. „Klar“, meinte er und deutete auf eine der Spalten im Boden. „Ja, aber..“, verwirrt schaute ich ihn an. „Was , ja aber? Hier ist eben noch irgend etwas unter der Höhle. Und wir gehen jetzt gucken, was das ist. Du hast doch nichts anderes vor, oder?“. Er wartete meine Antwort nicht ab und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Kaum war er verschwunden, hörte ich seinen gellenden Schrei, der schlagartig verstummte. Horrorvisionen begannen, sich in meinem Kopf auszubreiten. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie sich zwei
knöcherne Hände um Stimmbänder schlossen und diese mit einem gewaltigen Ruck aus einem imaginären Hals rissen! Mir wurde schlecht und ich hastete Fritz hinterher. Als ich meine Schritte um den Felsvorsprung lenkte, trat ich ins Leere.
Ungefähr zwei Sekunden dauerte mein Fall, dann schlug ich auf den harten Boden auf. Im nächsten Augenblick schrie auch ich schrill auf und wusste, warum Fritz' Schrei so plötzlich abgebrochen war. Er stand vor mir, in einem nebeligen, irrealen
Licht. Auf seinem Mund lag eine Hand, die aussah, als würde sie zu jemandem gehören, der schon mindestens fünfzig Jahre tot war! Und wirklich, die Gestalt, zu der diese Hand gehörte, sah wahrlich nicht frischer aus!
Wo das Gesicht noch teilweise von Fleisch bedeckt wurde, war es grün bis braun verfärbt und runzelig. Eine Augenhöhle war leer, jedenfalls kam es mir auf den ersten Blick so vor. Ich konnte vor lauter Entsetzen den Blick nicht von diesem Totenkopf nehmen und so sah ich, dass sich etwas Weißes in der rechten Augenhöhle bewegte. Eine fette, vollgefressene Made! Ich warf den Kopf nach vorne und übergab mich schreiend. Dabei erhaschte ich einen Blick auf das andere, das linke Auge. Es hing an den Sehnerven aus dem Kopf bis auf die Oberlippe dieses Höllenwesens.
Auch auf meinen Mund hatte sich inzwischen eine Hand gelegt, die bestimmt nicht appetitlicher aussah als die, die Fritz knebelte. Das Grauen verlieh mir Kräfte, die ich nie in mir vermutet hätte! Ich jaulte auf und rammte meinen Ellenbogen nach hinten, in dieser Richtung vermutete ich den Magen dieses Etwas'. Er grub sich tief in eine breiige, kalte Masse. Das Vieh
rülpste laut und eine Welle von bestialischem Gestank, wie ich ihn noch niemals zuvor in meinem ganzen
Leben gerochen hatte, schwappte in meine Nase!
Ich steppte zur Seite und wirbelte herum!
Ich musste den gleichen Weg zurück, den ich gekommen war. Es stand mir im Weg. Also drosch ich dem Wesen meine Faust mit voller Kraft auf seinen heraus hängenden Augapfel. Der zerplatzte und
eine eitrige, stinkende Flüssigkeit spritzte durch die Gegend und ergoss sich auch warm und brennend über meine Faust.
Ich machte einen gewaltigen Satz über es hinweg und rannte los. Während meiner Flucht zurück in die Höhle war ich so sehr in Panik, dass ich nicht auf Felsvorsprünge achtete und mir daran den Kopf blutig schlug. Plötzlich, wie aus dem Nichts, waren
auch Unmengen von spinnenähnlichen Tieren aufgetaucht, die mich mit ihren Netzen zu Fall bringen wollten. Ein furchtbarer Geruch der Verwesung ging auch von ihnen aus.
Dann, endlich, hatte ich den Höhlenausgang erreicht und stürzte heulend in den Sonnenschein hinaus. Mittlerweile hatte es aufgehört zu regnen. Gehetzt sah ich mich um und machte mich auf den Heimweg. Meine Schritte stockten. Auf den Heimweg! Ich war hier nicht zu Hause, kannte keinen Menschen und beherrschte die fremde Sprache nicht. Konnte nur mit einer Geschichte aufwarten, wie man sie in Trivial-Literatur für einen Euro lesen konnte.
Heulend setzte ich mich an den Waldesrand auf einen umgestürzten Baumstamm. Ich musste wieder kotzen, als ich an die verwesten Gestalten aus der Höhle dachte. Ich fand in meiner Hosentasche ein Päckchen Papier-Taschentücher, das noch nicht vollkommen verdreckt war. Meine Hose sah aus, als ob ich durch versiffte, matschige Kloaken gewatet wäre.
Flüchtig säuberte ich sie, dann erhob ich mich mit zitternden Knien und stolperte in die Richtung, in der ich Zivilisation vermutete. Nach zwanzig Minuten Fußmarsch erspähte ich eine Hütte! Innerlich jubelte ich auf und es gelang, meine zentnerschweren Beine schneller zu bewegen. Vor der Tür wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel lang hin. Mein Kopf knallte gegen die Tür und bevor ich vollends das Bewusstsein verlor, dachte ich sarkastisch: Jetzt hast du wenigsten höflich angeklopft!
Als ich die Augen wieder aufschlug, erblickte ich über mir die geschwärzten, dicken Balken einer alten Holzdecke. Es wäre ein schöner Anblick gewesen, hätte ich nicht sofort wieder gewusst, was passiert war! Aber die Erinnerung war schlagartig wieder präsent und ich verspürte ein pumpendes Gefühl im Bauch und ein Würgen im Hals. Doch mein Magen war bereits längst entleert, nur etwas Gallenflüssigkeit stieg bitter in meiner Speiseröhre auf.
Eine ledrige, heiße Hand legte sich auf meine rechte Schulter. Ich war gar nicht mehr entsetzt, sondern nur noch wütend auf diese Kreaturen, schlug die Hand zur
Seite und warf mich zurück. Gerade wollte ich entschlossen zum Angriff übergehen, da fiel mein Blick auf die Person, zu der diese Hand gehörte. Es war ein zerbrechlicher, greiser Mann mit
traurigem Gesicht und smaragdgrünen Augen. „Stoi, Stoi“, krächzte er heiser und hob abwehrend und zugleich beschwichtigen seine Hände, mit den Handflächen nach außen gewendet.
Mein Körper entspannte sich leicht und misstrauisch ging mein suchender Blick zu meiner Kleidung. Sie lag, sauber zusammen gelegt, auf einem aus knorrigen Ästen roh zusammen gezimmerten Stuhl. Ich blickte an mir herunter und bemerkte, dass ich völlig entkleidet auf einem Fuder frischen Strohs lag, zugedeckt mit einer harten, kratzigen Wolldecke undefinierbarer Farbe. Der alte Mann deutete auf einen wackeligen Tisch; der dazu gehörende Stuhl diente als Ständer für mein Oberhemd.
In meiner Nacktheit fühlte ich mich hilflos wie ein Kind, deshalb warf ich mir rasch meine Klamotten über. Mein Blick fiel wieder auf den Tisch, auf dem ein Holzteller und eine Holzschüssel standen. In der Schüssel dampfte irgend etwas und vorsichtig ging ich hinüber. Einige Stücke Fleisch lagen darin, als ich sie sah, wurde ich von Hunger überwältigt. Auch der Alte war an den Tisch getreten und legte sich ein Päckchen darauf, das aufklaffte und fünf bis sechs Fische entblößte, die heraus rollten. Darauf hin machte sich schnell der Geruch nach Fäulnis im Zimmer breit.
Meinen Gönner schien das nicht zu stören und er fraß sie. Ja, er fraß wirklich! Schnaufend und gurgelnd stopfte er die vermoderten Wasserbewohner zufrieden in seinen zahnlosen Mund. Jetzt schaute ich zum ersten Mal genauer auf meinen Teller. Eine große Zunge lag darauf, sie schien erst vor sehr kurzer Zeit einem Tier, der Größe nach war es ein Bison, eine Kuh oder ein ähnlich großes Lebewesen, heraus geschnitten worden zu sein. Denn sie zuckte, die Nerven waren noch aktiv! Ganz so, als wolle sie mir etwas sagen!
Angeekelt schaute ich wieder zu dem Greis mit den gütigen, smaragdgrünen
Augen, doch der war nicht mehr da, jedenfalls nicht so, wie ich ihn in Erinnerung hatte! In den Augen schien ein Höllenfeuer zu brennen, das sie schwarz und böse erscheinen ließen! Geifer
tropfte aus seinen Mundwinkeln und seine Faust fuhr blitzartig nach vorn, direkt auf mich zu. Ich konnte mir nicht erklären, was er beabsichtigte.
Sekunden später wusste ich es! Er wollte mich nicht schlagen, er hatte etwas zu mir herüber geworfen. Es klatschte mir warm und weich ins Gesicht und saugte sich dort fest. Mit einer raschen Bewegung griff ich sofort danach und riss es von meiner
Wange. Ich schleuderte es von mir und es klatschte gegen die Holzwand, wo es kleben blieb. Es war eine Made, wie ich sie in der Augenhöhle des Unwesens in der Höhle bereits schon einmal gesehen
hatte!
Ich sprang auf, warf mich gegen die Tür und rollte ins Freie. Ohne mich erst lange zu orientieren, sprang ich auf die Füße und rannte los. Irgendwie, ich weiß nicht mehr genau wie, gelangte ich dann aus der wilden Bergwelt der Sudeten heraus und in bewohntes Gebiet, wo ich alsbald mit der Polizei in Verbindung trat. Ich war stundenlang in der Stadt Kamienna-Gora
herumgeirrt, bevor Passanten auf mich aufmerksam geworden waren und mich der Policja, der polnischen Polizei, übergaben.
Zum Glück war ich direkt an einen höheren Beamten geraten, der gut deutsch sprach. Natürlich hatte ich nichts von den den haarstreuenden Erlebnissen erwähnt, die mich in diese prekäre Situation brachten. Erst als meine Eltern auf meinen Notruf hin sofort nach Polen geflogen kamen, konnte ich ihnen mein Herz erleichtern. Als sie meine weißen Haare sahen, die noch schwarz gewesen waren, bevor ich in den Urlaub flog, glaubten sie sofort, was ich berichtete!
Die polnischen Behörden interessierten sich nicht besonders für das Autowrack und die verkohlte Leiche hinter dessen Steuer. Für sie sah es ganz wie ein Unfall aus und sie wollten sich keine unnötige Arbeit machen mit einer Sache, die eigentlich keinen interessierte.
Heute fühle ich mich einigermaßen sicher. Zurück in der Bundesrepublik, bewohne ich jetzt gemeinsam mit zweiundachtzig netten Menschen, ein großes, modernes Haus mit Garten und einem hohen Zaun
drum herum. Hier habe ich keine Furcht mehr vor den Kreaturen aus der Höhle, die sind weit weg, in den Sudeten. Ich bin hier in Deutschland.
Ich habe einem netten Arzt erzählt, was damals passiert ist. Und dass ich den Eingang zur Hölle entdeckt habe!
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