Veröffentlicht: 22.08.2025. Rubrik: Spannung
Kutto Krimi Reihe 4
Ring – Geheimnisvolle Spuren
Jo saß mit angewinkelten Beinen auf dem Couchrand, den Kopf betrübt gesenkt. Pit warf ihm einen besorgten Blick zu – auch Kutto entging das nicht.
„Was ist los?“, fragten beide fast gleichzeitig.
Jo antwortete leise mit gesenktem Blick:
„Ich bin vor zwei Wochen achtzehn geworden … und musste meinen Geburtstag ohne unsere Oma feiern.“
Pit und Kutto schauten sich an. Dann ging Pit die wenigen Schritte zu Jo hinüber und legte ihm mitfühlend die Hand auf die Schulter.
Währenddessen hob Kutto eine durchsichtige Tüte hoch, in der ein kleiner Gegenstand lag:
„Schaut mal, was mir Hubert gebracht hat. Das hier wurde jetzt endlich von der Asservatenkammer freigegeben – der Ring, den man damals an der Fundstelle am Meer entdeckt hat.“
Pit fuhr sichtlich aufgeregt hoch:
„Warum erst jetzt?“
Kutto zuckte die Schultern:
„Bei wichtigen Beweisen dauert das manchmal. Dann heißt es: Spezialuntersuchung … oder sie wissen einfach nicht weiter.“
Er zog ein Stofftaschentuch hervor und legte den Ring vorsichtig hinein.
„Seht euch das an – da ist ein Monogramm eingraviert. Bisher konnte es niemand entziffern.“
Alle drei versammelten sich um den Fund. Pit holte eine Lupe, beugte sich darüber und runzelte die Stirn:
„Diese Schrift kenn ich … eine alte Urschrift, noch von vor Omas Zeit. Mein Vater hatte ein Buch mit solchen Zeichen – er hat sie mir erklärt. Das ist ein R mit einem P – doppelt graviert.“
Kutto nickte sofort:
„‚P‘ wie Piton.“
Pit überlegte kurz, dann weiteten sich seine Augen:
„Warte mal … dieses Zeichen … das kommt mir bekannt vor. Genau dieses! Das haben wir doch mal im Stadtpark von Greenwich gesehen – eingestanzt in die Rinde vom alten Lindenbaum!“
Im Waggon, gleich bei der Tür, wurde Hund Hektor unruhig. Seine Ohren zuckten aufgeregt auf und ab, als würde er auf ein Zeichen warten.
Kutto zog sich eine Umhängetasche über die Schulter – gefüllt mit wichtigen Ermittler-Utensilien.
Er machte eine winkende, auffordernde Handbewegung in Richtung Tür. Und rückte sein Cap zurecht.
Dann gab er das ersehnte Kommando:
„Na los, Hektor, alter Kumpel – auf geht’s!“
Erleichtert jaulte Hektor vor Freude – und sprang sofort voraus in Richtung Greenwich.
Raus in Richtung Greenwich – Stadtpark
An dem sonnigen Nachmittag, als sich Kutto, Pit, Jo und Hund Hektor auf den Weg machten, fühlte es sich wie ein spannender Abenteuerspaziergang an – zumindest für die beiden Jungen. Oder sollte man sagen: jungen Männer?
Im Stadtpark angekommen, gingen sie zielstrebig auf den alten Lindenbaum zu. Alle drei begannen sofort, die Rinde abzusuchen. Pit ging besonders gründlich vor – er nahm sogar eine Lupe und tastete den Baum Zentimeter für Zentimeter ab.
„Da!“, rief er plötzlich. In die Rinde war ein Zeichen eingestanzt – genau dasselbe wie auf dem Ring. Und tatsächlich: Der Ring passte perfekt auf die Vertiefung.
Sie blickten einander an. „In welche Richtung weiter?“
Kutto und Pit warfen sich einen kurzen Blick zu und nickten. Dann sagte Kutto entschlossen:
„Das P zeigt nach Süden – dort, wo das Wehr ist.“
Sie machten sich auf den Weg zum Wasserfall. Dort hüpften sie geschickt über die grauen Betonpfeiler bis hin zu einem alten Überflutungstunnel. Ein Schild warnte in verblassten roten Buchstaben:
DANGER! – NO ENTRY ZONE
Jo glitt mit einem lauten „Juhuu!“ in den Tunnel hinein – er hatte sichtlich Spaß daran.
Pit blieb stehen und deutete auf die Tunnelwand: Neben dem Schild, innen an der Tunnelwand, entdeckten sie erneut das geheimnisvolle Monogramm – dieses P-Zeichen.
„Ganz schön dunkel hier!“, bemerkte Pit.
Kutto witzelte: „Licht gibt’s hier wohl eher keins“, zückte seine Taschenlampe – und grinste.
Sie liefen in den Schacht hinein – einen engen, langen, schmalen Tunnel, wie man sie in England öfter findet. Es roch muffig, die Luft war kaltfeucht, alte nasse bemooste Gemäuer.
Abrupt blieb Kutto stehen. „Hier! Ein weiteres Zeichen.“
Er leuchtete mit der Taschenlampe auf die Wand. Genau: das gleiche Monogramm. Im Lichtkegel der Taschenlampe wurde es sichtbar – wieder das eingestanzte P.
In diesem Moment stieß Hektor, der hinter Kutto lief, mit dem Hinterteil gegen eine gebogene Mauerfläche – und wie von Geisterhand öffnete sich ein schmaler Spalt in der Wand.
Ohne zu zögern schlupften sie hindurch und krochen alle drei nacheinander hinein. Sie folgten dem einmannbreiten Tunnel – der Gang war eng, sie mussten sich ducken. Es schien endlos lang …
Doch dann öffnete sich der Tunnel in einen unerwartet großen, viereckigen Raum.
Alle sechs Augen wanderten prüfend umher. Scheinbar eine Sackgasse?
Hund Hektor schnupperte aufgeregt überall herum.
Erstmal ausstrecken – man war das Genick schon ziemlich steif geworden von der ständigen Bückerei. Pit richtete sich auf, rieb sich den Nacken.
Dabei fiel sein Blick auf die herunterbaumelnde Glühbirne mit Ziehschnur.
Ein schneller Sprung – zack – er schnappte sich die Schnur und zog daran.
Ein Ruck ging durch die Wand – wie bei einer Geheimtür schob sich eine Gipswand zur Seite.
Dahinter lag – der nächste Raum.
Der unterirdische Geheimplatz
Ein versteckter unterirdischer Geheimplatz – ein geräumiger Raum mit Sitzbänken und Tischen, dahinter eine Theke. Es wirkte fast wie eine Mischung aus Aufenthalts- und Speiseraum.
Kutto tippte schweigend mit einer Hand auf seine Umhängetasche und zog hellblaue Ermittlerhandschuhe hervor. Gleich neben dem Eingang stand eine Plastikbox mit hellblauen Überziehern – die sie sich über ihre Schuhe und Hektor über die Pfoten streiften.
Hund Hektor mit seiner Spürnase nach unten folgte ihnen auf Schritt und Tritt, gelegentlich niest Hektor – denn irgendwas stört seine feine Nase.
Neben dem Aufenthaltsraum befanden sich Wasch-, Toiletten- und Duschräume. Weitere Zimmer boten abgetrennte Schlafplätze, ausgestattet mit Bett und Kleiderschrank.
Ein Raum enthielt gestapelte Plastikboxen mit sorgfältig beiseitegelegten Deckeln – genau dieselben, die damals in der verlassenen Lagerhalle gefunden worden waren. Hier waren vermutlich Drogen gelagert worden.
Ein weiteres schmales Zimmer hatte farbige Wände und eine Liege, links davon ein länglicher Hängeschrank. Darunter befand sich eine lange Arbeitstheke mit seltsamen Geräten.
Offenbar war dieser Raum als Untersuchungszimmer genutzt worden, vielleicht als ärztliches Labor?
Kutto öffnete vorsichtig mit den behandschuhten Fingern eine der Schranktüren. Im oberen Regal befanden sich eingepackte Nadelkanülen und leere Spritzenhüllen. Darunter: kleine Schalen mit Pillen, alle sauber verschlossen mit Deckeln.
Dieser Ort war das Zentrum der Manipulation. Keine Tür trennte diesen Raum, sondern nur ein schwerer Stofffaltvorhang.
Sie entdeckten noch eine Tür – mit Zahlencode-Feld. Offenbar war durch Stromausfall die Sperre deaktiviert worden. Vor dem Schloss befand sich ein Zahlenfeld. Vorsichtig stieß Kutto die Tür mit dem Ellenbogen an.
Die drei staunten: Auf einer breiten Arbeitstheke standen Gerätschaften, an der Wand hingen Pläne. In leicht geöffneten Schubfächern lagen Schriftstücke.
Kutto murmelte nachdenklich: „Ich will lieber gar nicht wissen, wofür all diese Geräte gedacht waren …“
Eines davon schien eindeutig zur Herstellung von Pillen bestimmt.
Vorsichtig öffnete Kutto einen Oberschrank. Darin lagen gestapelte Papiere, Notizen – und eine Blechkassette, die er auf die Theke stellte.
Dokumente von einem gewissen Rupert Piton. Kutto erkannte das Gesicht – vom verrückten Professor – das war derselbe Mann vom Zeitungsausschnitt, mit dem moorfarbenen Kittel.
Dieser Rupert war all die Jahre der Drahtzieher hinter allem gewesen!
Weitere Beweise hingen offen an der Wand – seine Aufzeichnungen, seine Machtgier, seine Vision, der größte Drogenboss zu werden. Und die Entwicklung einer Injektion, die seine Anhänger gefügig machen sollte.
All das lag jetzt vor ihnen. Ein letzter Blick nach oben. An der Decke entdeckten sie eine runde Falltür. Kutto zog sie herunter. Sie stiegen nacheinander hinauf – und fanden sich plötzlich in einem riesigen, runden Edelstahl-Kessel wieder.
Sie öffneten eine Innentür und traten hinaus – klick, sie fiel hinter ihnen zu.
Jo und Pit schauten sich verdutzt an.
Pit sprang vom kleinen Podest, breitete die Arme aus, drehte sich leicht im Kreis:
„Durch diese Geheimtür im Kessel sind sie einfach verschwunden!“
Jo trat einen Schritt zurück, stieß gegen die Geheimtür – klick – sie öffnete sich erneut.
Die riesigen Kessel waren ehemalige Füllfässer – niemand hatte darauf geachtet!
Vor dem Lagerhaus zückte Kutto sein Spezial-Funkhandy und informierte sofort die ISE. Dann drehte er sich kurz um. Ein Erinnerungsmoment: das Bild aus den alten Akten.
„Genau deswegen! Genau deswegen konnten damals keine Spuren gefunden werden!“, rief er aufgeregt.
Er erkannte es sofort: Das war die alte Industrielagerhalle, die damals durchsucht worden war. Das rostige Tor mit dem Kennzeichen „Blook 17“, umgeben von Lagereinheiten – ein ideales Versteck.
Kutto informierte direkt Hubert bei der NCA, Abteilung CCU (Cold Case Unit).
Ein riesiger Fall war aufgeklärt – dank seiner beiden Helfer Jo und Pit.
Wenige Stunden später wimmelte es vor Ermittlern in weißen Schutzanzügen.
Mit Spezialgurten holten sie Hund Hektor über die Falltreppe hinaus.
Was für eine Freude! Hektor sprang aufgeregt herum und blieb die restliche Zeit oben – es gab genug für seine Spürnase zu entdecken.
Ohne viele Worte reichte Kutto den beiden neue Ermittlerhandschuhe. Die benutzten wanderten in eine Plastiktüte in seine Tasche.
Kutto sagte cool: „Die Ehre gebührt euch!“
Einer der Oberkommandanten – ein „Aufpasser“, wie Kutto ihn nannte – verkündete bestimmt:
„Nur eine Stunde – dann ist das hier Sperrzone.“
Alle drei nickten. Ab zur Spurensuche! Anspannung und Aufregung lagen in der Luft.
Sie waren mitten im Geschehen, durften zeigen, erzählen, erklären – doch die Stunde verging wie im Flug.
Tage später berichtete Kutto:
Die Halle wurde nun als Quartier übernommen. Die Aufarbeitung und Forschung an Ruperts Plänen würde Jahre dauern. Es waren kaum Spuren gefunden worden – offenbar wegen eines Sprays, das fast nicht mehr nachweisbar war. Der Ort war stets gereinigt worden, bis auf die letzten Jahre – was sich anhand der Staubschicht feststellen ließ.
Ein idealer Ort für ein neues geheimes Ermittlerrevier – grinste Kutto unter seinem verkniffenen Mund.

