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geschrieben 2025 von Kairos Prime (KairosPrime).
Veröffentlicht: 23.12.2025. Rubrik: Fantastisches


Layer Beyond - Kapitel 1

Durchgang

Der Mann mit dem Implantat blieb stehen, noch bevor er wusste, warum.

Sein Körper reagierte, ehe der Gedanke folgte. Ein minimales Zögern, kaum mehr als ein Innehalten zwischen zwei Schritten. Layer hatte nichts angezeigt, nichts signalisiert. Der Impuls kam tiefer, dort, wo Entscheidungen sich längst nicht mehr wie Entscheidungen anfühlten.

Er wartete.

Der Bahnsteig war voll, aber geordnet. Menschen standen dort, wo sie stehen sollten. Niemand drängte. Die Anzeigen über den Gleisen zeigten Ankunftszeiten, die sich selten änderten. Der Zug würde pünktlich sein. Layer hatte es berechnet.

Der Mann sah nicht auf die Anzeige. Er musste es nicht. Seine Aufmerksamkeit glitt weiter, zu den Geräuschen, zur Bewegung, zu einem Detail am Rand: Eine Frau ging gegen den Strom.

Nicht hastig. Nicht verloren. Einfach entgegen der impliziten Richtung.

Layer bewertete das nicht. Es war erlaubt. Ungewöhnlich, aber statistisch unauffällig.

Der Mann nahm einen Schritt zur Seite, ohne zu wissen, warum. Platz machte er selten bewusst. Heute schon.

Zur selben Zeit, wenige Meter entfernt, blieb ein anderer Mann stehen.

Er trug kein Interface. Keine Brille, keine sichtbare Technik. Er hatte den Bahnsteig betreten wie jeden Morgen, den gleichen Weg, die gleiche Uhrzeit. Der Unterschied zeigte sich erst, als er an der Schranke ankam.

Er zog seine Karte aus der Tasche. Wartete. Zog sie noch einmal durch. Das System reagierte verzögert. Eine rote Markierung, klein, höflich. Bitte warten.

Hinter ihm entstand Unruhe, kaum hörbar. Kein Ärger, nur eine leichte Verschiebung. Menschen traten zur Seite, ohne ihn anzusehen. Der Durchgang passte sich an.

Der Mann wartete.

Er kannte das. Es passierte nicht oft, aber regelmäßig genug, um es einzuplanen. Offline bedeutete nicht ausgeschlossen. Nur langsamer. Layer wusste, dass Daten fehlten. Es musste prüfen.

Die Schranke öffnete sich schließlich. Er ging hindurch, ohne sich umzusehen.

Auf dem Bahnsteig standen beide Männer nun im selben Raum, getrennt durch nichts Sichtbares. Der eine nahm den anderen nicht wahr. Der andere sah den ersten kurz an, zu lange für einen flüchtigen Blick, zu kurz für Interesse.

Der Zug fuhr ein.

Der Mann mit dem Implantat betrat den Wagen, genau dort, wo er stehen sollte. Die Auslastung war optimal. Neben ihm blieb ein Platz frei. Layer hatte das so vorgesehen. Er hielt sich fest, sein Blick glitt durch den Raum, ohne an etwas hängen zu bleiben.

Der Offliner stand weiter hinten. Er fand keinen freien Platz, obwohl genug Raum da war. Menschen rückten nicht weg, sie hatten keinen Grund dazu. Layer sah keinen Konflikt, also entstand keiner.

Er hielt sich ebenfalls fest.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Geräuschlos, gleichmäßig. Draußen zog die Stadt vorbei, überlagert von Markierungen, die nur ein Teil der Fahrgäste sah. Hinweise auf Cafés, Termine, Treffpunkte. Der Mann mit dem Implantat nahm sie nicht bewusst wahr. Sie gehörten zur Landschaft.

Der Offliner sah nur die Stadt.

Er zählte die Haltestellen nicht. Er kannte sie. Trotzdem achtete er auf jede einzelne. Aufmerksamkeit war für ihn keine Funktion, sondern eine Handlung.

Als der Zug bremste, reagierte der Mann mit dem Implantat einen Augenblick früher. Er wusste nicht, dass er es tat. Sein Körper folgte einer Wahrscheinlichkeit. Der Offliner reagierte einen Augenblick später, aber bewusst. Er spannte die Hand an der Stange an, verlagerte das Gewicht.

Beide blieben stehen.

An der nächsten Station stieg die Frau aus, die zuvor gegen den Strom gegangen war. Niemand folgte ihr. Niemand hielt sie auf. Layer registrierte eine Abweichung und ordnete sie als irrelevant ein.

Der Mann mit dem Implantat sah ihr nach. Nur kurz. Ein Rest von Neugier, der keinen Nutzen hatte.

Der Offliner sah sie ebenfalls. Länger.

Als sich die Türen schlossen, lief der Zug weiter, und Layer aktualisierte seine Modelle. Nichts hatte sich verändert. Alles war im Rahmen.

Und doch war etwas passiert.

Nicht sichtbar.
Nicht messbar.
Aber nicht vorgesehen.

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