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geschrieben 2025 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 15.07.2025. Rubrik: Unsortiert


Mainzelmännchen-WGeschichte – Der Tag, an dem Conni aus Versehen eine Raum-Zeit-Falte im Abstellraum öffnete

Conni hatte eigentlich nur nach Gummibärchen gesucht.

Es war ein Mittwoch, der sich wie ein Montag anfühlte – draußen nieselte es und drinnen roch es nach altem Mett. Die anderen waren entweder am Streiten (Anton und Edi, wegen der kaputten Duschbrause), am Experimentieren (Berti, mit Kabelbindern und einer Kaffeemaschine aus den 80ern), oder am Meditieren (Fritzchen, im Handstand). Det las Charles Bukofski und nippte dabei an einem Pils. Es war 10:43 Uhr.
Conni war allein in der Abstellkammer. Und das war in der Mainzelmännchen-WG gefährlich.

Denn: Was einmal Abstellkammer war, war inzwischen eine Art lebendiges Archiv geworden. Von Jahrzehnten WG-Leben. Eine Zeitkapsel aus defekten Gameboys, halb aufgerauchten Zigaretten, einem niemals geöffneten Adventskalender aus 1974 und einem Thermomix, der nur Erbseneintopf konnte. Und ganz hinten, hinter einem Turm aus VHS-Kassetten mit der Aufschrift "Musikantenstadl", stand ein kleiner, unscheinbarer Kasten.

Ein schwarzer Kasten. Mit einem roten Knopf. Und einem Etikett, auf dem stand: "Bitte niemals drücken. Wirklich. Niemals. Danke, Det."

Conni hatte nie gelernt, nicht zu drücken.

*

Er hatte gehofft, es würde ein Bonbon-Spender sein. Oder ein Lautsprecher mit Furzgeräuschen.

Aber als er den Knopf drückte, wurde es kurz ganz still in der WG.
So still, dass selbst der Heizkörper im Wohnzimmer aufhörte zu gluckern.
Dann: Ein tiefes, blubberndes Zooooop. Und ein Licht. Also eigentlich mehrere Lichter, die sich umeinander drehten wie besoffene Glühwürmchen. Die Luft schmeckte plötzlich nach Regenbogen.

Conni wich zurück, stolperte über einen alten Staubsaugerbeutel – und fiel in die Wand.

Beziehungsweise: durch sie hindurch.

*

Als er wieder zu sich kam, lag er auf einer weichen, wogenden Wiese. Nur war das keine normale Wiese. Die Grashalme waren blau. Und die Kühe schwebten. Und am Horizont stand – wie ein überdimensioniertes IKEA-Regal – ein Turm aus Gummibärchen.

„Geil“, sagte Conni.

Dann trat ihm ein kleiner, bärtiger Mann in einer Windjacke vors Schienbein.

„Was machst du denn hier, du Zeitreiseknirps?!“

„Ich… ich hab 'nen Knopf gedrückt“, sagte Conni.

„Das sagen sie alle“, sagte der Mann. Er stellte sich als Horst der Hüter vor. Hüter der Zeitsuppenschüssel, wie er erklärte.

„Hier landet jeder, der aus Versehen einen Riss im Raum-Zeit-Waschbecken erzeugt.“

Conni verstand nur die Hälfte. Aber immerhin bekam er einen Becher mit Zeitkartoffelsuppe.

„Wenn du zu lange bleibst, wirst du 36 und merkst es erst nach drei Jahren“, warnte Horst.

„Was ist schlimmer?“

„Naja… 36 sein. Und trotzdem Gummibärchen suchen.“

*

In der WG hatte inzwischen jemand den Stromausfall bemerkt.
Det stand im Flur mit der Taschenlampe und fluchte in Altgriechisch.

„Wo ist Conni?!“

„Zuletzt gesehen in der Abstellkammer“, sagte Berti und zog sich einen Schweißerhelm über.

„Vielleicht hat er sich in den 70ern verlaufen.“

Sie öffneten die Tür – und sahen: das Leuchten. Ein leiser Sog wehte ihnen entgegen. Edi verlor fast seinen Flipflop.

„Das ist… das ist eine Raum-Zeit-Falte!“, rief Det und wackelte so heftig mit den Augenbrauen, dass die Brille beschlug.

„Das war damals mein Prototyp für ein Zeitloch. Ich hab's gebaut, um nie wieder Geburtstag zu haben.“

„Dann los!“, rief Anton. „Wir holen ihn zurück!“

„Mit was denn?“

„Mit dem Staubsauger! Der hat doch auch Sog!“

*

Die Rettungsmission wurde vorbereitet wie ein mittelmäßig geplantes Festival. Berti lötete eine Art Raum-Zeit-Adapter. Edi brachte Bier mit („zur Stabilisierung der Teilchen“). Und Fritzchen wärmte sich mit Burpees auf.

Dann stopften sie das Verlängerungskabel in den Abstellraum und Det flüsterte dem Zeitportal etwas Altphilologisches zu. Es öffnete sich erneut. Mit einem lauten Fffflllp! wurden sie hineingesogen.

*

Sie landeten auf einem Sofa. Aber es war nicht ihr Sofa. Es war weich. Und sauber. Vor ihnen saß eine Version von ihnen selbst. Nur: in ordentlich. Anton trug einen Rollkragenpulli. Berti rauchte Pfeife. Fritzchen meditierte, im Sitzen. Edi las Goethe.

„Seid ihr... wir?“, fragte der echte Det.

„Wir sind die Version von euch, die nie in der ZDF-WG gelandet ist“, sagte der andere Det. „Wir sind das Parallel-Ich aus der Dimension der Seriosität.“

„Gruselig“, sagte der echte Edi.

„Wo ist Conni?“

„Ach, der spielt draußen mit Albert Einstein und einem sprechenden Dackel. Er will wissen, ob man Gummibärchen einfrieren kann, um sie durch die Zeit zu schießen.“

*

Sie fanden Conni am Rand eines Schaumzucker-Geysirs.

„Ihr seid hier!“, rief er, mit bunten Flecken im Gesicht. „Ich wollte nur Gummibärchen holen!“

„Wir wissen“, sagte Det und umarmte ihn. „Aber du hast fast die Raum-Zeit zerschreddert.“

Gerade als sie gehen wollten, knisterte die Luft. Ein Schatten erschien – groß, mit rotem Cape und... Mainzelmännchen-Mütze.

„Ich bin der Zukunfts-Conni“, sagte er. „Und ich bin gekommen, um... die Vergangenheit zu warnen.“

„Wovor?!“

„Vor... dem Waschmaschinen-Dilemma von 2087.“

„Können wir das morgen besprechen?“, fragte Anton. „Oder nach dem Frühstück.“

„Na gut“, sagte Zukunfts-Conni. „Aber macht nie, und ich meine nie, eine Weißwäsche bei 60 Grad mit dunklen Raum-Zeit-Falten. Sonst wird alles grau. Auch die Realität.“

*

Sie kamen zurück. Mit Conni. Mit Gummibärchen. Mit einer Packung Zeitkartoffeln. Und einer schwebenden Milchflasche, die niemand anrührte.

Det schloss die Raum-Zeit-Falte mit drei Rollen Isolierband. „Der Abstellraum bleibt jetzt zu. Für immer.“

„Aber was, wenn die Waschmaschine...?“

„Ruhe, Edi.“

Conni saß wieder am Tisch. Und diesmal war er derjenige, der seufzte und sagte: „Ich glaub, ich hab heute genug erlebt. Ich will einfach nur – Fernsehen.“ Die anderen nickten. Dann ging der Kühlschrank an. Und sagte: „Na, wieder zurück? Ich hab euch vermisst.“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Rautus Norvegicus am 15.07.2025:

Sehr gern gelesen. Aber ok, wenn jetzt Zeit für's Fernsehen gekommen ist, warte ich eben bis morgen. Gucken, was da passiert!

Internette Grüße
🙂
Rautus Norvegicus

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