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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2009 von Carl-Paul Hénry (Carl-Paul Hénry).
Veröffentlicht: 13.07.2018. Rubrik: Nachdenkliches


Gedanken im Sommer - 160 mal werden wir noch wach ...

Da war eine alte und wohl etwa verwirrte Frau, die in einer zerfallenen Hütte am Stadtrand lebte. Am 1. Advent nämlich entzündete sie alle vier Kerzen an ihrem Adventskranz. Am 2. Advent brannten drei Kerzen und am 3. Advent gaben nur zwei Kerzen ihren Schein von sich. Und – wie sollte es nun anders sein – am 4. Advent entzündete die arme, alte Frau nur eine Kerze am Adventskranz. Den Heiligen Abend aber, und die Weihnachtsfeiertage, verbrachte das Weib in ihrer stockfinsteren und kalten Stube.

Das alles hatte der Bürgermeister der wohlhabenden Stadt bei seinen sonntäglichen Spaziergängen hinüber zum Wald über Jahre beobachtet. Eines Tages fasste er sich ein Herz und klopfte an die Türe der alten Hütte. Die Frau bat ihn auf eine Tasse Wachholdertee hinein und auf seine Frage, warum sie denn die Adventskerzen immer in genau der falschen Reihenfolge entzünde, antworte die gebrechliche Dame so:

"Wenn ich in der ersten Adventswoche durch die Gassen der Stadt schlurfe, dann werde ich von allen Leuten gegrüßt und angelächelt. In der zweiten Adventswoche werde ich zwar auch gegrüßt, aber das Lächeln in den Gesichtern fehlt. In der dritten Adventswoche nicken mir noch einige wenige Menschen zu, doch in der darauf folgenden Woche bin ich für die geschäftigen Bürger und Bürgerinnen nur noch Luft. Ja, und am Heiligen Abend und den Feiertagen sitze ich einsam und allein, Jahr für Jahr, in meiner Stube. Von Woche zu Woche wird es immer dunkler um mich herum, und deshalb mache ich es mit meinem Adventskranz auch so."

Da stand der Bürgermeister betroffen auf und fragte die betagte Bürgerin. „Weißt du, wo mein Haus steht?“ – „Aber ja doch,“ antwortete die Frau, dort wo die meisten Lichter brennen.“ – „Sehr gut,“ meinte der Schultes, „dann komme doch am Heiligen Abend dorthin. Du bist eingeladen, mit meiner Familie und mir das schönste Fest des Jahres mit tausend Lichtern zu feiern.“ Da fing das Weib an zu weinen und auch der Bürgermeister weinte.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Weißehex am 26.07.2018:

Ungewöhnliche Gedanken im Sommer, die einen so schnell nicht wieder loslassen. Die Geschichte hat etwas von einem schönen Märchen. Sehr gerne gelesen.

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