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geschrieben 2025 von Tantalos (Tantalos).
Veröffentlicht: 31.07.2025. Rubrik: Satirisches


Der Ministerpräsident und die Landstraße - Teil 3 und Schluss

Wie vom Donner gerührt saß der Leitende Oberstaatsanwalt in seinem Büro und starrte auf das vor ihm liegende, auf bestem Papier gedruckte Schreiben. „Vielen lieben und herzlichen Dank auch im Namen von Gislinde-Francesca für die Einladung zur Hochseekreuzfahrt! Ich nehme das Geschenk gerne an mit Blick auf das gemeinsam durchgezogene Straßenbauprojekt, das wir jetzt so schnell umsetzen konnten. Wir sehen uns ja noch persönlich bei der Einweihung meines Jagdhauses.“ Zu seinem Dienstjubiläum hatte er zwar einen Glückwunsch von seinem Parteifreund Leif-Beat erwartet, aber nicht so etwas! Er überlegte angestrengt, was er in dieser misslichen Angelegenheit tun oder besser nicht tun sollte.

SatirepatzerSatirepatzerDiese Überlegung hatte ihm seine Sekretärin abgenommen. Sie gehörte der Oppositionspartei an, was ihr Chef nicht wusste, und war beglückt, etwas Belastendes gegen Leif-Beat gefunden zu haben. Euphorisch steckte sie eine Kopie des „Glückwunschschreibens“ in einen Umschlag und ging in ihrer Mittagspause damit zur Parteizentrale mit der Hoffnung, dass ihr Engagement bei der Aufstellung der Kandidatenliste für die nächsten Wahlen Berücksichtigung fände.

Am gleichen Vormittag klingelte Leif-Beats Smartphone. Erfreut sah er, dass der ihm gut bekannte Bauunternehmer - der von der Landstraße - am anderen Ende war. Mit der gelösten Stimmung war es schnell vorbei, als der Bauunternehmer hörbar aufgeregt das Wort ergriff. „Was fällt dir ein, mir ein Glückwunschschreiben zum Dienstjubiläum zu schicken? Ich bin doch nicht der Leitende Oberstaatsanwalt! Wahrscheinlich hat deine schusselige Sekretärin die beiden Schreiben vertauscht! Wo ist jetzt das andere Schreiben?“ Leif-Beats Magen hatte sich verkrampft. Fieberhaft durchdachte er die Situation und die möglichen Handlungsoptionen. Sein Tag war ruiniert; also sollten sein persönlicher Referent und der zuständige Minister auch etwas tun.

Die Einweihung des Jagdhauses war eine glanzvolle Angelegenheit. Honoratioren aus Partei, Gesellschaft und Wirtschaft amüsierten sich beim erlesenen kalten Büfett, passenden Getränken und dezenter Musik. Als vorteilhaft erwies sich der Umstand, dass die frisch ausgebaute Landstraße in unmittelbarer Nähe zur Zufahrt zum Jagdhaus eine Abstellspur erhalten hatte, die jetzt von den Fahrern der hohen Herrschaften genutzt werden konnten, um die ihre Karossen abzustellen. Diese bemerkenswerte Tatsache fiel so manchem an diesem Abend auf.
Der Gastgeber Leif-Beat zeigte sich aufgeräumt und jovial; innerlich brodelte es aber nicht gerade wenig. Etwas befriedigte ihn zwar, dass seine Sekretärin ihren Fehler eingeräumt hatte und aus seinem Blickfeld verschwunden war. Aber die politischen Konsequenzen waren noch nicht ganz absehbar. Sein persönlicher Referent hatte ermittelt, dass das fälschlicherweise an den Leitenden Oberstaatsanwalt gegangene Schreiben kopiert und weitergegeben worden war.

Vor Stolz und innerem Hochgefühl fast platzend trat der Oppositionsführer einige Tage später vor die Presse und verkündete den Journalisten, dass sich Anhaltspunkte für Korruption beim Neubau der Landstraße ergeben hätten und man einen Untersuchungsausschuss im Landtag beantragen wolle, um die genauen Umstände aufzuklären.

„Im vollen Bewusstsein, dass ich nichts Unrechtes getan habe, beantrage ich selbst die Aufhebung meiner Immunität, damit offiziell Ermittlungen gegen mich eingeleitet werden können!“, posaunte Leif-Beat bei einer anderen Pressekonferenz im Oktober 2039. Innerlich war ihm aber ganz anders zumute, weil er an das Gespräch mit Gislinde-Francesca an diesem Morgen dachte. „Du bist ein Versager! Dass du diese versoffene Sekretärin von deinem Vorgänger übernommen hast! Einfach unmöglich! Die hat dich reingeritten. Du hättest vorsichtiger agieren müssen!“ Es war Leif-Beat sowieso klar, dass er verloren hatte. Aber bisher war immer alles glatt gegangen, also wird es auch in Zukunft klappen, hoffte er in einem Winkel seines Gehirns.

Dem Leitenden Oberstaatsanwalt blieb nichts anderes übrig, als Ermittlungen gegen seinen Parteifreund einzuleiten. Für ihn kam erschwerend hinzu, dass der Raum, in dem die Akten zum Fall Landstraße aufbewahrt wurden, dauernd verschlossen und teilweise von Leuten bewacht wurde, die zu den politischen Gegner von Leif-Beat zählten. Daher war es nicht möglich, einzelne Akten verschwinden zu lassen. Wenn so etwas aufgeflogen wäre, hätte es meiner weiteren Karriere geschadet, dachte sich der Leitende Oberstaatsanwalt. Meine Karriere ist sowieso länger als die bald endende von Leif-Beat, auf den ich keinen Pfifferling mehr wette, überlegte er sich weiter.

Im Januar 2040 hatte der Untersuchungsausschuss bereits viele Zeuge gehört. Das Bild von Leif-Beat in der Öffentlichkeit hatte dabei merklich gelitten. Dazu trugen die zahlreichen Dokumente bei, die nicht nur von der Opposition, sondern auch von lieben Parteifreunden an die Medien weitergegeben wurden. Warum auch Parteifreunde? Da gab es welche, die schon länger auf den Posten von Leif-Beat scharf waren. Versuche von Anhängern von Leif-Beat, die undichten Stellen und die Herkunft der von den Medien veröffentlichten Dokumente zu identifizieren, wurden von Journalisten mit dem lakonischen Hinweis gekontert, diese Schriftstücke habe man auf der Parkbank gefunden.

Im Februar 2040 schließlich sah sich der Landesvorstand der Regierungspartei genötigt, offiziell zu verkünden, dass man sich voll und ganz hinter den Ministerpräsidenten Leif-Beat stelle. Später unterhielten sich ein paar Vorstandsmitglieder: „Weißt du, wieso wir uns hinter jemanden stellen, der in der Kritik steht?“ „Weil wir dann den vor uns Stehenden als Kugelfang benutzen können!“

Leif-Beat trat im März 2040 vor die Presse und trug im Blitzlichtgewitter den Medienvertretern vor: „Um weiteren Schaden vom Land und seiner Regierung abzuwenden trete ich mit sofortiger Wirkung vom Amt des Ministerpräsidenten zurück.“

Bei späteren Aufenthalten im Landtag und verschiedenen Ministerien, um einige Angelegenheiten zu klären, grüßte man ihn nur noch knapp, sofern man bei seinem Anblick nicht in eine andere Richtung schaute. Wenigstens habe ich noch meine Gislinde-Francesca als Rückhalt, dachte sich
Leif-Beat.

Damit war es aber auch nicht so weit her, wie er bei der Rückkehr in sein Wohnhaus feststellen musste. „Leif-Beat, du hast dich leider als vollkommen untauglicher Familienvater herausgestellt, der seine Karriere durch fehlende Umsicht versiebt hat. Das Kind nehme ich natürlich mit! Du hörst noch von meinem Scheidungsanwalt“, stand auf einem Zettel. Die Anrede „Lieber...“ hatte sie auch weggelassen, wie er schmerzlich feststellte.

Nach einigen Monaten hatte er sich im Jagdhaus eingerichtet, wo er nun zurückgezogen lebte. Was der Rest der Welt bei ihm konnte, überließ er in Gedanken dem Götz von Berlichingen. Nur vereinzelt hatte er noch Kontakt zu seinem früheren Leben. Ein verbliebener Gewährsmann teilte ihm mit, dass Gislinde-Francesca bereits kurz nach Beginn der Bauaffäre eine Beziehung mit dem Vorstandvorsitzenden eines Konzerns begann und jetzt mit diesem zusammenlebte.

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