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geschrieben 2025 von Evelinya Lyriel (lys).
Veröffentlicht: 13.10.2025. Rubrik: Historisches


Das geflüsterte Versprechen Teil8

Dies ist der 8. Teil der Geschichte. Wer die ersten Teile noch nicht kennt, findet sie unter: Historisches - "Das geflüsterte Versprechen TeilX"

Kapitel 22
Nachdem sie Clara verabschiedet hatten und der Blumenladen hinter ihnen lag, saßen Johanna und Alexander schweigend nebeneinander in der Kutsche. Das Rollen der Räder und das leise Schaukeln des Wagens bildeten einen ruhigen Rahmen, während draußen die Straßenzüge langsam vorbeizogen. Johanna blickte hinaus, doch wirklich sah sie nicht die Stadt, sondern ließ innerlich noch einmal den Nachmittag Revue passieren.
Es erfüllte sie mit leiser Freude, wie unaufgeregt und herzlich der gemeinsame Spaziergang verlaufen war. Die Anerkennung und das Wohlwollen in den Blicken der anderen hatten sie erleichtert – aber noch mehr bewegte sie das Glück, das zwischen Clara und Alexander so sichtbar geworden war. Zu sehen, wie die beiden miteinander lachten, wie ihre Blicke sich suchten, hatte ihr Herz auf eine unerwartete Weise tief berührt.
Doch in der Stille der Kutsche schlichen sich auch andere Gedanken heran. Der Spaziergang hatte Erinnerungen geweckt, an Nähe, an Zärtlichkeit, an geteilte Freude – an all das, was sie selbst so sehr vermisste. Ihre Hand strich gedankenverloren über den Arm, an dem Clara sich so festgeklammert hatte. Noch immer spürte Johanna dort einen leisen Schmerz – sie hatte nichts gesagt, wollte die besondere Zweisamkeit von Clara und Alexander nicht stören. Jetzt aber begrüßte sie den Druck, denn der kleine Schmerz lenkte für einen Moment ab von der großen Sehnsucht im Inneren und brachte sie zurück ins Jetzt.
Der Kutschwagen rollte sanft über das Kopfsteinpflaster, während draußen die letzten Sonnenstrahlen zwischen den Fassaden flirrten. Im inneren Dämmerlicht versanken Johanna und Alexander in ihre Gedanken. Die Freude über den Nachmittag lag wie ein warmer Schleier auf Johannas Herz, doch darunter zog eine leise Sehnsucht entlang, unerwünscht und doch unausweichlich.
Johannas Hände lagen ruhig in ihrem Schoß, aber Alexander bemerkte den angedeuteten Zug um ihren Mund, das flüchtige Blinzeln ihrer Augen. Er betrachtete sie einen Moment länger, als üblich, und sagte schließlich mit sanfter Sorge in der Stimme:
„Johanna, was ist los mit dir? Du wirkst, als würde dich etwas beschäftigen.“
Johanna wandte den Blick rasch ab, als wolle sie das besorgte Fragen liebevoll mit Schweigen abwehren. Ihr Lächeln, blass und etwas zu schnell gezwungen, begleitete die Worte:
„Es ist nichts, Alexander. Mach dir keine Sorgen, bitte.“
Doch die Pause in ihrem Satz war beredter als jedes Geständnis, und Alexander spürte, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte. Er nickte nur, ein leises Zeichen, dass er ihr Verbergen verstand und dass er jetzt nicht weiter nachfragen würde.
Im Schatten des Sitzkissens drückte Johanna unmerklich ihren Arm, spürte absichtlich den leichten Schmerz, den Claras Umklammerung dort hinterlassen hatte. In diesem winzigen Stechen lag Trost, ein Anker gegen die umherschwirrenden Gedanken an ihren eigenen Schatz, den sie heute noch mehr vermisste als sonst.
Ihr Blick verschwand nach draußen, aber sie war ganz bei sich – und auch Alexander war bei ihr, schweigend und für einen Moment einfach verbunden in diesem zarten Schweigen.

Kapitel 23
Am Morgen des nächsten Tages lag ein bleierner Himmel über Claras Kammer, die dicken Wolken hingen schwer und kündigten Regen an, doch all das schien Clara kaum zu berühren. In ihrem Herzen trug sie noch das sanfte Strahlen des gestrigen Nachmittags, das wie ein warmes Licht von innen heraus leuchtete. Mit behutsamen Fingern begann sie, ihre Haare zu ordnen, doch schon bald kehrte ein seufzender Zug in ihr Gesicht, als ihr bewusst wurde, wie sehr ihr die Geschicklichkeit fehlte, mit der Johanna die filigranen Strähnchen geflochten hatte.
Während sie ihrer Arbeit nachging, huschten ihre Gedanken immer wieder zurück zu dem Spaziergang, zu Alexander und Johanna, zu dem Schal, den Johanna so kunstvoll um ihre Schultern gelegt hatte. Sie spürte ein kleines Lächeln auf ihren Lippen wachsen, eine ungewohnte Leichtigkeit, die sich wie ein sanfter Strom durch den Tag zog. Die Hände arbeiteten willig, aber ihr Geist war weit weg, getragen von Erinnerungen an Wärme und stille Zuneigung.
Im tiefen Nachdenken fiel ihr Blick auf Johannas zierliche Taille, die ihr seit dem ersten Moment ins Auge gefallen war. Clara ahnte, wie sehr solch eine moderne, schmale Taille in den Augen vieler Männer als anziehend galt – und hatte oft genug davon gehört. Jetzt, wo sie zum ersten Mal eine so geschnürte, graziöse Taille wie die Johannas vor sich sah, wuchs in ihr leise der Wunsch, ebenfalls so zu erscheinen – vielleicht auch, um Alexander zu gefallen. Ein Hauch von Röte stieg ihr ins Gesicht, und sie schämte sich ein wenig bei dem Gedanken. Clara selbst hatte nie ein Korsett getragen, und gerade darin lag für sie ein stilles Staunen über das feine Modegeschick, das Johanna so beiläufig zeigte.
Doch zugleich nagte ein fragender Gedanke: Warum trug Johanna ein Kleid, das von dieser modernen Erscheinung scheinbar nicht ganz passend war?
Um diesen Widerspruch kreisten ihre Gedanken, als ein leises Zwicken in ihrem Herzen sie zurückführte an das Gefühl von Unbeholfenheit und vermeintlicher Unzulänglichkeit, das sie gestern verspürt hatte. Und dann durchfuhr sie eine leise Erkenntnis, so klar wie der Morgen: Alexander und Johanna wollten sie nicht durch ihre überlegene Eleganz einschüchtern oder beängstigen. Nein, in ihrem Verhalten lag eine behutsame Rücksicht, ein stilles Versprechen, dass ihr Platz zwischen ihnen sicher und frei von Furcht sei. Diese Gewissheit ließ ein sanftes Lächeln ihre Lippen umspielen, als sie sich der neuen Stärke bewusst wurde, die langsam in ihr wuchs.
Draußen begann der erste Regen zu fallen, die Tropfen klopften leise an das Fenster, vermischten sich mit ihren Gedanken, und doch ließ die Melodie ihres inneren Strahlens keinen Dämpfer zu.
Später am Tag, in einer kurzen Regenpause, öffnete sich die Ladentür ganz leise, und die vertraute Gestalt der alten Schneiderin trat ein. Clara blickte überrascht auf. Ein unerwartetes, warmes Gefühl breitete sich in ihr aus, gemischt mit einem Hauch von schlechtem Gewissen, weil sie sich seit dem Spaziergang nicht gemeldet hatte.
Die alte Schneiderin lächelte mild, als sie Claras Blick bemerkte. Doch dann geschah es, dass Clara ihr versehentlich und ganz unbedacht „Großmutter“ sagte. Einen Moment lang schien die Zeit stillzustehen.
Die Schneiderin erwiderte mit einem sanften Glitzern in den Augen: „Großmutter, sagst du? So siehst du mich also? Nun, habe ich dich doch erst vor kurzem meine Enkelin genannt.“
Beide Frauen lächelten einander an, und etwas Warmes und Vertrautes erwachte zwischen ihnen.
„Ich wollte ja nur wissen, wie es dir geht,“ sagte die alte Schneiderin leise, „doch ich habe dich kaum anschauen müssen, um zu wissen, wie es um dich steht.“
Clara fühlte, wie ihr Herz leichter wurde. In diesem einfachen Austausch lag mehr Zuneigung, als Worte je ausdrücken könnten.

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