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geschrieben 2025 von Federteufel.
Veröffentlicht: 29.12.2025. Rubrik: Unsortiert


Ein Toilettenabenteuer

Hallo Wölfl, ich muss dir unbedingt noch erzählen, was mir heute Nachmittag passiert ist.
Die Tagung hatte mein Sitzfleisch arg strapaziert, und meine Beine sehnten
sich nach Bewegung. Ich verließ das Hotel, um mir die Stadt anzusehen. Was ich
sah, war nicht sehr aufregend: Schnurgerade Straßen mit meist einstöckigen Wohnhäusern, alle tipptopp gepflegt, die Vorgärten sahen aus, als seien sie nicht mit Blaukorn gedüngt, sondern mit dem Schweiß der Rechtschaffenheit und anschließend mit der Zahnbürste geharkt. Ich war schon eine Weile marschiert, da meldete sich meine Blase. Hätte ich natürlich voraussehen können, nach den acht oder Zehn Tassen Kaffee, die mir die Augen in den letzten Stunden offen gehalten hatten. Ich beschloss, einen Bogen zu schlagen und zum Hotel zurückzukehren, denn mich ins Gebüsch zu hocken, dazu war es mir zu kalt. Bog also bei der nächsten Kreuzung rechts ab, doch auch diese Straße war albtraumhaft schnurgerade und lang. Endlich erreichte ich einen weiten Platz, auf dem ein paar Autos standen, der aber ansonsten menschenleer war. Weiter hinten entdeckte ich einen grauen Betonwürfel mit zwei Türen, neben denen zwei kleine grüne Scheiben leuchteten, sowie ein Schild mit der Aufschrift WC. Ich beschleunigte meine Gangart, denn allmählich wurde es höchste Eisenbahn, wie meine Oma immer sagte. Warf erleichtert eine Münze in den Bezahlschlitz, öffnete die Tür: Gerettet!
Das kleine „Geschäft“ einschließlich Händewaschen und abtrocknen dauerte vielleicht vier, fünf Minuten. Wollte das Einraumklo verlassen, da stellte ich fest, dass die Tür keine Klinke besaß, sondern nur einen Knauf. Ich versuchte den Knauf zu drehen – rechts rum, links rum, ging nicht, das Teil saß fest. Soll das ein schlechter Witz sein?, rief ich, drehte, rüttelte – der Knauf saß fest, die Tür blieb zu. Mein Handy! Wo war mein Handy? Natürlich, es steckte in meiner Handtasche, und die lag im Hotel auf meinem Zimmer. Hatte mir doch nur mal eben die Beine vertreten wollen.
Ich setzte mich auf den Klobrillenrand und dachte nach. Zwar neige ich nicht zu Angstattacken, doch ich merkte, wie der Kloß in meinem Magen immer größer wurde. Dummerweise hatte ich am Vormittag in einer Werbebroschüre etwas zur Stadtgeschichte gelesen, das zu meiner jetzigen Situation passte wie die Faust aufs Auge, nämlich, dass die Bürger dieser Stadt vor fünfhundert Jahren einen unbeliebten Bürgermeister in einen Turm gesperrt hatten und ihn dort verhungern ließen. Berichte von Verschütteten, die nie aufgefunden wurden, gingen mir durch den Kopf. Obwohl diese Fantasien völlig unrealistisch waren, so wirkten sie doch. Eine Nacht in diesem kahlen Raum, in dem außer einer Kloschüssel ohne Deckel und einem Waschbecken nichts war, während im Hotel gerade das Buffet aufgetragen wurde – unerträglich.
Rasend vor Enttäuschung hämmerte ich mit beiden Fäusten gegen die Tür und schrie um Hilfe – erfolglos. Ihr Arschlöcher, schrie ich, wenn irgendwo ein Parkplatz frei wird, seid ihr sofort da, aber wenn es darum geht, Hilfe zu leisten, kneift ihr den Schwanz ein. Natürlich ist das Unsinn, aber in dem Zustand, in dem ich mich befand, war mir das völlig egal. Möglicherweise hatte mein Geschrei auch niemand hören können, schätze mal, die Tür bestand aus massivem Stahl. Das Geschrei und die Erregung hatten mich durstig gemacht, ich beugte mich über das Wachbecken, um einen Schluck zu trinken, da vernahm ich neben mir ein Geräusch, das sich anhörte, als würde ein Zapfen oder Riegel zurückschnellen.
Sofort ergriff ich den Knauf, drehte, die Tür sprang auf, ich trat ins Freie . . .
Abends, beim Bier, erzählte ich einer Kollegin von dem bizarren Abenteuer. Ja, rief sie und lachte schallend, das ist bei diesen neuen Einraumtoiletten so. Die Tür bleibt solange verschlossen, bis die gebuchte Zeit aufgebraucht ist. Wie viel hast du den eingeworfen?
Weiß ich nicht. Aber offensichtlich zu viel.
Was hältst du davon, mein Wölfl-Schatz? Das ist ja schlimmer als der Knast! Da kannst du bei guter Führung vorzeitig entlassen werden, aber in diesen verdammten Einraumklos musst du deine Zeit bis zur letzten Sekunde absitzen.
So, nun gute Nacht und träum was Schönes . . .

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