Veröffentlicht: 26.12.2025. Rubrik: Nachdenkliches
Die Feuerwand
Immer wenn ich nach Silvester die Polizeimeldungen lese, von Jugendlichen, die sich beim Zündeln mit Chinaböllern lebensgefährlich verletzt haben, schießt mir die Erinnerung an jenes prägendes Erlebnis aus meiner Sturm- und Drangzeit durch den Kopf.
Dieses Erlebnis trug sich Anfang der achtziger Jahre in den Herbstferien zu.
Pubertierende Jungen kommen manchmal auf die dümmsten Ideen.
Diese Aktion meines besten Schulfreundes hatte damals unseren gesamten Stadtteil in schiere Aufregung versetzt.
Gott sei Dank war ich damals in den Ferien bei meinen Großeltern, so ging der Kelch an mir vorbei.
Mein Freund brauchte auch nichts abstreiten, ich wusste sofort, als ich davon hörte, dass jene Aktion seine Handschrift trug.
Denn immer wenn er nur ein kleines Feuerchen entfachte, musste die Versicherung einspringen, um irgendeinen Schaden auszugleichen.
Was war geschehen?
In der DDR gab es einen zuverlässigen Insektenschutzspray namens TippFix.
Offenbar langweilte sich mein Freund und fand beim Durchstöbern der Werkstatt seines Vaters eine Sprayflasche eben dieses Insektenschutzes.
Da das Zündeln prinzipiell Jungen fasziniert, wollte er damit experimentieren.
Er zog mit dieser Sprayflasche und Feueranzünder los, um diese irgendwo auf einer Freifläche zu entzünden.
Da es jedoch windig war, bekam er den Feueranzünder nicht zum Brennen.
Er brauchte einen geschützten Ort.
Also ging er zu einer Bushaltestelle eines Überlandbusses und wiederholte dort seinen Versuchsaufbau.
Man muss sich vorstellen, dass die Bushaltestelle ein massives Bauwerk aus Betonelementen war.
Die Vorderfront hatte einen offenen Eingang, links und rechts verziert mit Fenstern in Holzrahmen.
Im Innenraum war an der Rückwand eine durchgehende Sitzbank montiert.
Nachdem der Freund den Feueranzünder entfacht und die Sprayflasche in die Flammen gelegt hatte, verließ er die Bushaltestelle.
Er rechnete wohl mit einem lauten Knall, wenn die metallene Sprayflasche infolge der Hitzeeinwirkung zerbarst.
Er harrte ungeduldig hinter einer Hecke aus.
Lange tat sich nichts.
Er wollte bereits zur Bushaltestelle zurückkehren, als sich plötzlich eine Feuerwand ausbreitete und durch die Öffnung drang.
Die Szene musste wie in einem Aktionfilm ausgesehen haben.
Dann fehlte mit einem Mal den Flammen der Sauerstoff.
Es entstand ein Sog, der die Flammen ins Innere der Bushaltestelle zurückholte.
Dabei riss es die Scheiben aus den Fensterrahmen.
Mein Freund rannte vor lauter Schreck panisch weg.
Mit dieser Wirkung hatte er nie und nimmer gerechnet.
In den kommenden Wochen ermittelte die Kripo.
Selbst der ABV (Abschnittsbevollmächtigter Volkspolizist) verhörte einige Schüler meiner Schule.
Es gab wohl einen Zeugen, der jemanden wegrennen sah.
Aber dessen Täterbeschreibung war offensichtlich nicht aussagekräftig.
Noch heute erinnere ich mich an die Reaktionen meiner Eltern.
Mein Vater sagte beim Abendbrot, "Diesen Idioten, die die Bushaltestelle demoliert haben, müsste man kräftig den Arsch versohlen."
Ich schwieg bedröppelt, da ich meinen Freund nicht verpfeifen wollte.
Als Fazit stellten wir Jungen fortan alle pyrotechnischen Versuche ein.
Und mein Schulfreund?
Er verhielt sich von diesem Tag an wie ein Lämmchen und tauchte unter dem Radar ab.
Denn Feuer, Schere, Licht gehören in Kinder- und Narrenhände nicht.
Jo Hannes Coltitz, Dezember 2025
2x




